Otto Schmidt Verlag

Schleswig-Holsteinisches OLG v. 16.6.2021 - 12 U 148/20

Gewerbemietverhältnis im Jahr 2020: Auswirkung der Corona-Pandemie auf Mietzinsansprüche bei geminderten oder gar nicht gezahlten Mieten

Art. 240 § 2 EGBGB (Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen in Zeiten der Corona-Pandemie) bewirkt keine Stundung des Mietzinses. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich in dem Gesetzesentwurf mit Drucksache 19/18110 ausgeführt, dass die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete im Grundsatz bestehen bleibt.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrte von der Beklagten Gewerberaummiete für die Monate April, Mai und Juni 2020. Sie ist seit 2013 Eigentümerin eines Hotelgebäudes, das die Beklagte mit zum 1.1.2020 gepachtet hatte. Vereinbart wurde eine Pacht i.H.v. 18.980,50 € monatlich. Am 1.4.2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nicht in der Lage sei, die April-Miete zu bezahlen. Am 17.4.2020 zahlte die Beklagte die Hälfte der April-Miete. Die Beklagte entrichtete auch die Miete für den Monat Mai 2020 nicht, woraufhin die Klägerin sie mit Schreiben vom 4.5.2020 mahnte. Am 25.6.2020 überwies die Beklagte einen Teilbetrag i.H.v. 18.502 €, den sie als Juli-Miete deklarierte.

Das LG hat in seinem Urteil ausgeführt, dass die Beklagte einen Anspruch auf restliche Mietzinszahlung für die Monate April, Mai und Juni 2020 i.H.v. 47.451,25 € habe. Dieser Anspruch sei weder wegen eines Mangels noch aufgrund von Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch den Vermieter noch nach den Grundsätzen der gestörten Geschäftsgrundlage ganz zu mindern oder anzupassen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts und Vereinheitlichung der Rechtsprechung die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Das LG hat in seiner angefochtenen Entscheidung zu Recht einen Anspruch der Klägerin aus § 535 Abs. 2 BGB bejaht. Zutreffend hat es angenommen, dass Art. 240 § 2 EGBGB keine Stundung des Mietzinses bewirkt.

Art. 240 § 2 EGBGB (Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen in Zeiten der Corona-Pandemie) bewirkt keine Stundung des Mietzinses. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich in dem Gesetzesentwurf mit Drucksache 19/18110 ausgeführt, dass die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete im Grundsatz bestehen bleibt. Statt eines gänzlichen Ausschlusses der Mietzahlungsverpflichtung oder einer Stundung wurde im Ergebnis nach Abwägung der wechselseitigen Interessen der für den Vermieter weniger intensive Eingriff des Ausschlusses des Kündigungsrechts gewählt.

Ob ein i.S.v. § 536 BGB zur Minderung berechtigender Mangel der Gewerbemietsache bei behördlich angeordneter Schließung des Unternehmens wegen der Corona-Pandemie vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. Es kommt darauf an, ob die Folgen des Lockdowns der im Rahmen von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB maßgeblichen Risikosphäre des Vermieters zuordnen lassen. Hoheitliche Maßnahmen können - sofern nicht andere vertragliche Vereinbarungen bestehen - nur dann einen solchen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhten und ihre Ursachen nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben. Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen allein in dessen Risikosphäre, so regelmäßig auch hinsichtlich der Coronafolgen.

Der Mietgegenstand im vorliegenden Fall war auch nach der hier vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung nicht mangelhaft i.S.d. § 536 BGB. Die Folgen des Lockdowns lassen sich nicht der im Rahmen von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB maßgeblichen Risikosphäre des Vermieters zuordnen. Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem vertraglich vereinbarten Nutzungszweck.

Mietansprüche entfallen auch nicht gem. §§ 326 Abs. 1 S. 1, 275 BGB, da die behördlich angeordnete Schließung grundsätzlich allein das Verwendungsrisiko (des Mieters) betrifft. In Betracht kommt allenfalls ein Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB. Hierfür kommt es zum einen darauf an, ob die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie sich bewusst gemacht hätten, dass es für die Dauer eines Monats zu einer staatlich verordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels kommen würde. Zum anderen muss dem Mieter das Festhalten am Vertrag in ursprünglicher Form unzumutbar geworden sein. Dass die erzwungene Schließung hier zu existenziell bedeutsamen Folgen für den Mieter geführt hat, ist von diesem darzulegen und zu beweisen.

Hat das Erstgericht, wie vorliegend, die Klageabweisung hinreichend deutlich auf mehrere selbstständig tragende Erwägungen gestützt, so muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen. Diesen Anforderungen wird die Berufungsschrift in Bezug auf einen Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB allerdings nicht gerecht, so dass eine erneute Überprüfung der rechtlichen Ausführungen des LG zu diesem Punkt nicht geboten war.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.07.2021 15:48
Quelle: Landesrechtsprechung Schleswig-Holstein online

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