Otto Schmidt Verlag

BGH v. 7.7.2021 - VIII ZR 52/20

Darf ein GbR-Gesellschafter im eigenen Namen rückständige Miete einklagen?

Der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist im Allgemeinen nicht befugt, den Schuldner einer Gesellschaftsforderung im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen. Als actio pro socio wird nur die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte war seit März 2012 Mieter einer Wohnung in Düsseldorf. Vermieterin war die T./H. GbR, bestehend aus der Klägerin und dem von ihr getrennt lebenden Ehemann (T.). Die Nettomiete betrug 1.000 € im Monat zzgl. monatlicher Vorauszahlungen auf die Betriebskosten i.H.v. rund 303 €. Über die Betriebskosten rechnete die Vermieterin zu keinem Zeitpunkt ab.

Bis einschließlich Juli 2016 zahlte der Beklagte die Miete sowie die Betriebskosten. Im August 2016 entrichtete er lediglich die Betriebskosten und ab September 2016 erfolgten keine Zahlungen mehr. Erstmals Ende des Jahres 2016 forderte der Beklagte die Vermieterin vergeblich zur Abrechnung über die Betriebskosten auf. Im November 2016 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis zum 30.4.2017. An diesem Tag unterzeichneten der Beklagte und der T. anlässlich der Rückgabe der Wohnung eine Vereinbarung, wonach "alle wechselseitigen Ansprüche für die Zukunft oder die Vergangenheit, gleich ob bekannt oder unbekannt, abgegolten" seien.

Die Klägerin, die zunächst von einem Auszug des Beklagten September 2017 ausging, hat mit der vorliegenden Klage den Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete (einschließlich Betriebskosten) und auf Nutzungsentschädigung i.H.v. insgesamt 16.948 € an die T./H. GbR sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten an sich selbst in Anspruch genommen. Das AG hat ohne auf die Hilfsaufrechnungen einzugehen den Beklagten zur Zahlung von 8.696 € (Miete von August 2016 bis April 2017 abzüglich gezahlter 303 €) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das LG hat die Klage im Berufungsverfahren insgesamt abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Gründe:
Das Berufungsgericht hat verkannt, dass über die Klage nicht in der Sache entschieden werden kann, da sie auf Grundlage des bisherigen Sachvortrags mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin unzulässig ist.

Die Klägerin hatte einen der T./H. GbR zustehenden und damit einen fremden Anspruch im eigenen Namen geltend gemacht. Die Befugnis zu einer derartigen Klage hat die Klägerin bislang nicht dargelegt. Damit macht die Klägerin, die im eigenen Namen und nicht als vertretungsberechtigte Gesellschafterin für die GbR klagt, einen fremden Anspruch geltend. Die Gesellschafter einer GbR können nach § 709 Abs. 1 BGB und, falls sich die Gesellschaft im Abwicklungsstadium befindet, nach § 730 Abs. 2 BGB die Geschäfte der Gesellschaft, falls nicht ein anderes vereinbart ist, nur gemeinschaftlich führen. Daraus folgt, dass sie auch nur gemeinschaftlich eine der Gesellschaft zustehende Forderung einklagen können. Dabei ist es unerheblich, dass die Klägerin auf Zahlung an die GbR klagt und damit im Fall der Klagestattgabe die Leistung allen Gesamthändern somit auch dem Mitgesellschafter T. zugutekommt.

Sollte das LG, das die Zulässigkeit der Klage nicht angesprochen hat, mit dem AG davon ausgegangen sein, die Klägerin könne ihre Prozessführungsbefugnis auf eine actio pro socio stützen, hat es verkannt, dass ein solcher Fall vorliegend nicht gegeben ist. Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet. Sie wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters. Vorliegend nimmt die Klägerin jedoch nicht einen Mitgesellschafter in Anspruch, sondern den beklagten Mieter als Dritten (sog. actio pro societate). Ungeachtet dessen könnte die Klägerin den Prozess zwar in gewillkürter Prozessstandschaft führen. Nach dem bisherigen Vorbringen liegen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen jedoch nicht vor.

Sollte das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage bejahen, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

Soweit der Beklagte das Bestehen jeglicher Klageforderung mit Blick auf die mit dem T. geschlossene Abgeltungsvereinbarung (vgl. § 311 Abs. 1, § 397 Abs. 2, § 779 BGB) in Abrede stellt, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der Mitgesellschafter der Vermieterin zum Abschluss einer solchen Vereinbarung mit Wirkung für die T./H. GbR befugt war. Insoweit hat das Berufungsgericht verkannt, dass die materiell-rechtliche Anspruchsinhaberin nicht die Klägerin persönlich, sondern die T./H. GbR ist und sich daher zuvörderst die Frage stellt, ob der Mitgesellschafter T. diese wirksam vertreten hat. Somit ist dessen Handeln entgegen der Ansicht des LG nicht (erst) unter Rechtsscheingrundsätzen (Anscheinsvollmacht) zu prüfen, sondern zuvor zu klären, ob der Mitgesellschafter der Vermieterin organschaftlich oder aufgrund rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung dazu befugt war, für die GbR zu handeln.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.08.2021 13:41
Quelle: BGH online

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