Otto Schmidt Verlag

BGH v. 24.8.2021 - VI ZR 1265/20

Klage auf Beseitigung eines Carports: Bestimmung von Streitwert und Rechtsmittelbeschwer

Zur Bestimmung von Streitwert und Rechtsmittelbeschwer (hier: Beseitigung eines Carports auf dem Nachbargrundstück).

Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Der Beklagte errichtete an der Grundstücksgrenze auf seinem Grundstück einen Carport. Das zuständige Landratsamt hatte hierfür eine Baugenehmigung erteilt, über deren Rechtmäßigkeit die Parteien vor dem Verwaltungsgerichtshof streiten. Am Carport befestigte der Beklagte ein Schild mit dem Hinweis "Achtung! Videoüberwachung".

Der Kläger behauptet, der vom Beklagten errichtete Carport schränke die Ausfahrt von seinem Grundstück in unzumutbarer Art und Weise ein. Außerdem habe der Beklagte am Carport auch eine Videokamera angebracht, die ohne rechtfertigenden Grund und ohne Zustimmung des Klägers auch das klägerische Grundstück überwache und aufzeichne.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, das Grundstück des Klägers per Video zu überwachen,

2. an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld von nicht weniger als 2.000 € zu zahlen,

3. es zu unterlassen, im Hinblick auf den Kläger zu behaupten, dass dieser "wiederholt und permanent vor der Ausfahrt des Carports rechtswidrig geparkt" habe,

4. an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. ca. 500 € zu zahlen,

5. den auf dem Grundstück des Beklagten errichteten Carport zu beseitigen,

6. es zu unterlassen, den Bereich, in welchem der Carport errichtet war, als Stellplatz zu nutzen und in diesem Bereich jeglichen Zu- und Abfahrtsverkehr zur Nutzung als Stellplätze zu unterlassen.

Das LG wies die Klage ab und setzte den Streitwert im Einverständnis mit den Parteien auf insgesamt 21.000 € (Klageantrag Ziffer 1: 5.000 €, Ziffer 2: 2.000 €, Ziffer 3: 4.000 €, Ziffer 5: 8.000 € und Ziffer 6: 2.000 €) fest. Das OLG hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 21.000 € festgesetzt. Der Kläger wollte mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision erreichen, um sein Klagebegehren weiter zu verfolgen.

Der BGH hat entschieden, dass der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Die Gründe:
Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den sich aus den Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO ergebenden allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln.

Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden; an eine Festsetzung durch das Berufungsgericht ist es nicht gebunden. Der Beschwerdeführer hat innerhalb der Begründungsfrist darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Wert der Beschwer den Betrag von 20.000 € übersteigt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht.

Der Kläger ist durch die Abweisung der Klageanträge 1 bis 4 und 6 i.H.v. insgesamt 13.000 € beschwert. Der Wert der Beschwer ist in Einklang mit den Angaben des Klägers und der Beurteilung der Vorinstanzen hinsichtlich Klageantrag Ziffer 1 auf 5.000 €, Klageantrag Ziffer 2 auf 2.000 €, Klageantrag Ziffer 3 auf 4.000 € und Klageantrag Ziffer 6 auf 2.000 € zu schätzen. Der auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Antrag Ziffer 4 bleibt als Nebenforderung bei der Wertermittlung außer Betracht (§ 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO).

Durch die Abweisung des Klagantrags Ziffer 5 (Beseitigung des Carports) ist der Kläger i.H.v. nicht mehr als 5.000 € beschwert.

Verlangt der Grundstückseigentümer - wie im Streitfall - die Beseitigung einer Störung oder Einwirkung auf sein Grundstück, bemisst sich der Wert der Beschwer grundsätzlich nach dem Wertverlust, den das Grundstück durch die Störung oder Einwirkung erleidet. Nur ausnahmsweise, wenn sich die Störung nach Art bzw. Umfang nicht in einer Wertminderung des Grundstücks niederschlägt, kann sich der Wert der Beschwer nach den Kosten bemessen, die dem Eigentümer durch die Störung entstehen und die ohne diese nicht angefallen wären. Der Wertverlust bzw. der ausnahmsweise relevante Kostenaufwand sind von dem Beschwerdeführer darzulegen und gemäß § 294 ZPO glaubhaft zu machen.

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag in der Beschwerdebegründung nicht. Welchen Wertverlust das Grundstück des Klägers infolge der behaupteten Beeinträchtigung der Ausfahrt erlitten hat, lässt sich der Begründung nicht entnehmen. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde darauf verweist, dass das LG in seinem Streitwertbeschluss den Wert des Beseitigungsantrags im Einverständnis mit den Parteien mit 8.000 € bemessen und das Berufungsgericht diese Einschätzung übernommen habe, genügt dies zur Darlegung einer entsprechenden Beschwer des Klägers nicht. Weder der Kläger noch die Vorinstanzen haben die Wertfestsetzung begründet; Anhaltspunkte dafür, dass und wenn ja, in welcher Höhe der Wert des Grundstücks des Klägers durch die behauptete Beeinträchtigung der Ausfahrt gemindert ist, sind weder ersichtlich noch dargetan. Nicht anders verhält es sich hinsichtlich etwaiger dem Kläger durch die behauptete Beeinträchtigung entstehender Kosten.

Mangels abweichender Anhaltspunkte bewertet der Senat das Interesse des Klägers an der Beseitigung der geltend gemachten Beeinträchtigung in Anlehnung an die Bestimmungen in § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Alt. 1 RVG, § 52 Abs. 2 GKG, § 36 Abs. 3 GNotKG mit 5.000 €.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.09.2021 13:57
Quelle: BGH online

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