Otto Schmidt Verlag

OLG Brandenburg v. 22.6.2021 - 3 U 11/20

Zur Auslegung des Wortes „nachprüfbar“ in einer Betriebskostenabrechnung

Ein Anspruch auf Überlassung von Belegkopien kann bei Mietverhältnissen über preisfreien Wohnraum und Gewerberaum aus dem Mietvertrag begründet sein. Das Wort „nachprüfbar“ ist dabei nicht so zu verstehen, dass die Belege von dem Vermieter nur auf Abruf vorgehalten werden müssen.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte hatte 2012 Gewerbeflächen in einer Größe von 1.867,18 qm in einem Einkaufszentrum von der Klägerin angemietet. In § 6 des Mietvertrages heißt es: „Der Vermieter ist verpflichtet, die Nebenkosten kalenderjährlich mit dem Mieter abzurechnen. Die Abrechnung ist dem Mieter innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres schriftlich, detailliert und nachprüfbar durch entsprechende Belege, die dem Mieter kostenlos zugesandt werden, zu erteilen. Erfolgt die Abrechnung nicht bis zum vorgenannten Zeitpunkt, so entfällt der Anspruch des Vermieters auf Nachzahlung etwaiger Nebenkosten.“

Die Klägerin ließ durch die von ihr beauftragte Firma W-GmbH unter dem 20.12.2018 die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 erstellen, aus der sich ein noch offener Betrag von 29.845 € ergab. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagten die Betriebskostenabrechnung noch im Jahr 2018 zugegangen war. Die Belege zur Nebenkostenabrechnung sind der Beklagten jedenfalls erst am 21.1.2019 zugegangen.

Das LG hat die Beklagte zur Zahlung der vollen Betriebskosten sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten verurteilt. Es war der Ansicht, die Klageforderung sei nicht aufgrund der vertraglichen Klausel ausgeschlossen. Die Betriebskostenabrechnung sei der Beklagten am 24.12.2018 zugestellt worden, indem diese in einer benannten Postfiliale zur Abholung bereitgelegt worden sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 29.845 €, weil sie die Betriebskostenabrechnung nicht gemäß den Voraussetzungen von § 6 Ziffer 7 S. 3 des Mietvertrages gegenüber der Beklagten abgerechnet hat. Die Klägerin hat der streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnung weder die erforderlichen Belege beigefügt noch die Abrechnungsfrist eingehalten.

Nach § 259 Abs. 1 BGB ist der Vermieter zwar nicht zur Beifügung der Belege verpflichtet, sondern zu der von ihm vorzunehmenden ordnungsgemäßen Abrechnung gehört nur, dass er im Anschluss an die Betriebskostenabrechnung dem Mieter auf dessen Verlangen zusätzlich die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen durch deren Vorlage ermöglicht, soweit dies etwa zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich ist. Ein Anspruch auf Überlassung von Belegkopien kann bei Mietverhältnissen über preisfreien Wohnraum und Gewerberaum allerdings aus dem Mietvertrag begründet sein.

§ 6 Ziffer 7 des Mietvertrages enthält eine vertragliche Pflicht der Klägerin, die Belege als Teil der Abrechnung ohne entsprechende Anforderung seitens der Beklagten kostenlos in Kopie zu übersenden. Hierfür spricht bereits der Wortlaut. Denn danach ist die Abrechnung u.a. nachprüfbar durch entsprechende Belege, die dem Mieter kostenlos zugesandt werden, zu erteilen. Das Wort „nachprüfbar“ ist dabei nicht so zu verstehen, dass die Belege von dem Vermieter nur auf Abruf vorgehalten werden müssen. Entgegen der Ansicht des LG fehlt es auch nicht an einer klaren vertraglichen Regelung, welche Belegkopien im Einzelnen zu übermitteln sind. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass alle abgerechneten Positionen durch Übersendung der entsprechenden Rechnungskopien nachzuweisen sind.

Mangels Übersendung aller Belege innerhalb der zwölfmonatigen Frist nach Ablauf des Jahres 2017 kommt hier die vertragliche Ausschlussfrist bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts zum Zuge. Diese greift auch ein, wenn die Abrechnung zwar innerhalb der zwölf Monate nach Ablauf des Kalenderjahres formell ordnungsgemäß, aber ohne Beifügung von Belegkopien erfolgt. Denn § 6 Ziffer 7 S. 3 des Mietvertrages nimmt direkt auf S. 2 Bezug, in dem definiert ist, was nach den vertraglichen Regelungen unter der Abrechnung zu verstehen ist.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die vertragliche Ausschlussfrist nicht nur an die rechtzeitige Zusendung der Abrechnung gebunden, unabhängig davon, ob Belege beigefügt sind. Normalerweise versteht man unter Abrechnung und Belegen zwar zwei verschiedene Sachverhalte, weil - ohne abweichende vertragliche Regelung - der Vermieter nur zur Abrechnung verpflichtet ist, während er Einsicht in die Belege nur nach Aufforderung des Mieters gewähren muss. Die Parteien haben hier aber die Erteilung der Abrechnung vertraglich anders definiert. Die Ausschlussfristklausel nimmt Bezug auf die vertragliche Definition der Abrechnung. Der Wortlaut ist deshalb eindeutig dahingehend zu verstehen, dass die Ausschlussfrist auch greift, wenn der Abrechnung die Rechnungskopien nicht beigefügt sind.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.10.2021 16:28
Quelle: Landesrecht Brandenburg

zurück zur vorherigen Seite