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DAV kritisiert die geplante Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht

Der DAV sieht die geplante Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht kritisch. Diese werde die Probleme nicht lösen. Das Ziel einer größeren Rechtssicherheit könne besser durch die komplette Streichung des Kündigungsrechts wegen Schriftformmängeln erreicht werden.

Geplante Gesetzesänderung:

Im Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz sind in einem neuen § 578a BGB-E für Grundstücke und Räume die keine Wohnräume sind, unterschiedliche Vorgaben vorgesehen für den Ursprungsmietvertrag auf der einen und Nachträge auf der anderen Seite:

Die Regelung für den Abschluss des Ursprungsmietvertrages entspricht unverändert der derzeitigen Regelung:
(„Wird ein Mietvertrag […] für längere Zeit als ein Jahr geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit, wenn er nicht in schriftlicher Form geschlossen wurde“).

Für Nachträge heißt es dagegen, dass sie „der Textform bedürfen“.

Grund für die geplante Neuregelung: Das bisherige Schriftformerfordernis schafft in der Praxis eher Unsicherheit als Schutz

Vermeintlich für eine feste Laufzeit abgeschlossene Mietverträge werden wegen einer Änderung der Interessenslage einer Partei immer wieder unter Berufung auf Schriftformmängel gekündigt. Häufig kündigt der Mieter (weil er sich verkleinern oder vergrößern oder den Standort ganz verlassen will). Das Schriftformerfordernis erweist sich in der Praxis deshalb eher als Gefahr oder zumindest Unsicherheit für den Käufer denn als Schutz. Dies lässt eine Gesetzesänderung geboten erscheinen.

Der DAV befürwortet grundsätzlich, dass es für das Schriftformerfordernis im Gewerbemietrecht eine eigenständige Regelung geben soll. Inhaltlich werde der Entwurf die sich in der Praxis stellenden Probleme aber aus folgenden Gründen nicht lösen:

  • Schriftformmängel gibt es keineswegs nur bei Nachträgen, sondern auch bei den Ursprungsmietverträgen. Zwar mag sich der BGH in den letzten Jahren vermehrt mit Problemen bei Nachträgen befasst haben, das liegt aber eher daran, dass die meisten Schriftformfragen Einzelfallentscheidungen sind, die nicht bis zum BGH gelangen. Die Rechtsprechung befasst sich aber immer wieder mit Fragen, die nur oder auch bei Ursprungsverträgen auftreten. Diese Probleme würden durch den Entwurf nicht gelöst.
     
  • Bei Nachträgen entstehen Schriftformprobleme häufig deshalb, weil den Parteien nicht klar ist, dass sie überhaupt einen Nachtrag schließen müssen. Es gibt in diesen Fällen also auch keinen Nachtrag „in Textform“, sodass der Nachtrag auch nach der vorgeschlagenen Änderung nicht formunwirksam wäre, sondern sogar nichtig.
     
  • Die für Ursprungsverträge aufgezeigten Probleme können auch bei Nachträgen auftreten und blieben durch die Erleichterung der Form teilweise unberührt.
     
  • Durch die Anordnung der Nichtigkeit als Rechtsfolge eines Formverstoßes bei Nachträgen entstehen kaum lösbare Folgeprobleme.
     
  • Schließlich ist die Neufassung der Regelung für Nachträge auch unklar, was zu weiteren Diskussionen in der Praxis führen könnte.

Stellungnahme des DAV:

§ 550 BGB sollte, wie auch der Entwurf betont, nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers dem Schutz des Erwerbers dienen, der mit dem Kauf einer vermieteten Immobilie in bestehende Mietverträge eintritt (§ 566 BGB). Dies wurde als „aus dem Grundbuch nicht ersichtliche Belastung“ gewertet, weshalb der Erwerber zumindest die Möglichkeit haben sollte, sich einfach und vollständig über den Inhalt der auf ihn übergehenden Mietverträge zu unterrichten.

Die Wirklichkeit ist heute bei Gewerbeimmobilien allerdings eine andere: Der „Wert“ einer gewerblichen Immobilie bemisst sich in erster Linie nach den bestehenden Mietverträgen. Gewerbeimmobilien ohne für lange Festlaufzeiten abgeschlossene Mietverträge sind nahezu unverkäuflich. Der Käufer sieht die Mietverträge nicht als „Belastung“, sondern als wertbildenden Faktor. Gerade zu seinem Schutz ist eine Änderung des Gesetzes deshalb dringend geboten.

Die Bedenken gegen die ersatzlose Streichung des § 550 BGB überzeugen deshalb aus Sicht der Praxis nicht. Der vom BGH und dem Diskussionsentwurf ebenfalls hervorgehobene Gesetzeszweck des § 550 BGB, nämlich für Beweisbarkeit zu sorgen und Übereilung zu vermeiden, war ausweislich der Gesetzesmaterien zu § 550 BGB keine Zielrichtung des damaligen Gesetzgebers. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb gerade Mietverträge diesen zusätzlichen Schutz erfahren sollen, andere Vertragstypen mit ebenfalls langen Laufzeiten und/oder erheblichem wirtschaftlichem Gehalt, wie Werkverträge, Gesellschaftsverträge, Arbeitsverträge u.a. hingegen nicht. Auch hier gilt vielmehr, dass die Praxis größere Probleme mit dem Schriftformerfordernis hat als mit der fehlenden Beweisbarkeit einzelner Abreden.

Alternativvorschlag des DAV: Komplette Streichung des Kündigungsrechts wegen Schriftformmängeln

Der DAV meint, dass das Ziel einer größeren Rechtssicherheit besser durch die auch im Diskussionsentwurf diskutierte aber abgelehnte komplette Streichung des Kündigungsrechts wegen Schriftformmängeln erreicht werden kann:

In ersichtlich allen Fällen, mit denen sich Literatur und Rechtsprechung bisher befasst haben, lag ein bekannter Vertrag vor. Die Schriftform war nur wegen formaler Fehler nicht erfüllt. Auch der Käufer, dessen Schutz noch immer als Begründung für das Schriftformerfordernis herangezogen wird, weiß also, dass er das Objekt mit einem Mietvertrag erwirbt. Sein Schutz erfordert es deshalb nicht, dass er sich vom Vertrag lösen kann. Soweit im Diskussionsentwurf darauf verwiesen wird, dass durch eine ersatzlose Streichung auch die Warn- und Beweisfunktion entfällt, ist das zwar grundsätzlich richtig. Ebenso wie Bauverträge, Gesellschaftsverträge und andere Verträge mit großer wirtschaftlicher Bedeutung schriftlich abgeschlossen werden, auch wenn dies nicht gesetzlich vorgeschrieben wird, werden auch Mietverträge mit einer gewissen wirtschaftlichen Bedeutung weiterhin schriftlich (oder in Textform) abgeschlossen werden.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.01.2022 11:57
Quelle: DAV Stellungnahme Nr. 1 vom Januar 2022

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