Otto Schmidt Verlag

AG Essen v. 9.12.2021 - 196 C 73/21

Einschränkung des Wohnungseigentümers hinsichtlich Sondereigentums?

Zwar ist allgemein anerkannt, dass die Wohnungseigentümer die Vermietung/Verpachtung von der Zustimmung eines Dritten entsprechend § 12 WEG abhängig machen können. Allerdings kann das Recht auf Vermietung des Sondereigentums nur durch die Gemeinschaftsordnung, d.h. eine Vereinbarung gem. §§ 10 Abs. 3, 15 WEG eingeschränkt werden.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten und Eigentümerin einer im Erdgeschoss gelegenen Wohnung. Die Gemeinschaft besteht aus insgesamt fünf Wohnungseigentümer. In der Vergangenheit gab es in der Gemeinschaft rege Diskussionen über die Frage des Anbaus von Balkonen. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 12.1.2021 fassten die Eigentümer unter TOP 11 den Beschluss über den Anbau von Balkonen an dem Haus. Die anwesenden Eigentümer waren sich darüber einig, dass an allen Wohneinheiten Balkone Richtung Hof angebaut werden sollten.

Am 1.4.2021 verkündete die Verwalterin, dass die Eigentümergemeinschaft durch Umlaufbeschluss u.a. beschlossen habe, dass entgegen dem in der Wohnungseigentümerversammlung vom 12.1.2011 gefassten Beschluss lediglich die Wohneinheiten 3, 4 und 5 mit Balkonen ausgestattet werden sollen. Den Wohneinheiten 1 und 2 sollten hiernach lediglich ein Sondernutzungsrecht für einen entsprechend großen Abschnitt des Gemeinschaftsgartens zur separaten Nutzung eingeräumt werden. Die Beschlüsse sind von der Klägerin fristgerecht angefochten worden. Mit Urteil des AG Essen vom 2.11.2021, wurde festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Anfechtung dieser beiden Beschlüsse in der Hauptsache erledigt ist.

In der Eigentümerversammlung vom 7.5.2021 fassten die Eigentümer u.a. wieder Beschlüsse hinsichtlich der Balkonanbauten (TOP 7 bis TOP 13) sowie unter TOP 28 den Beschluss über Zustimmungsvorbehalt bei Neuvermietung und Verwalterzustimmung. Die Klägerin war der Ansicht, dass die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 7.5.2021 ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen würden bzw. nichtig seien. So sei die Eigentümerversammlung derart abgelaufen, dass lediglich sie und die Verwalterin anwesend gewesen seien, wobei die Verwalterin angeblich mit den Vollmachten der Eigentümer der Wohneinheiten 2 und 3 ausgestattet gewesen sei. Die Verwalterin habe ihr gegenüber klargestellt, dass es aufgrund der Vollmachten nicht auf ihre Stimmen ankommen würde. Die Ergebnisse der Beschlüsse seien auch nicht mitgeteilt worden.

Die den Tagesordnungspunkten TOP 7 bis 13 gefassten Beschlüsse seien unwirksam, da diese letztlich dazu dienten, die im Umlaufverfahren vom 1.4.2021 gefassten nichtigen bzw. unwirksamen Beschlüsse umzusetzen. Der unter TOP 28 beschlossene Zustimmungsvorbehalt des Verwalters bei Neuvermietung sei unwirksam, da hier in die Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer eingegriffen werde. Der Eigentümergemeinschaft fehle es insoweit an einer Beschlusskompetenz.

Das AG hat festgestellt, dass der Beschluss, der in der Eigentümerversammlung vom 7.5.2021 unter TOP 28 ergangen ist, nichtig ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Beschluss zu TOP 28 über den Zustimmungsvorbehalt bei Neuvermietung und Verwalterzustimmung ist nichtig, da es nach an einer entsprechenden Beschlusskompetenz mangelte.

Gem. § 13 Abs. 1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer, soweit nicht das Gesetz entgegensteht, mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, insbesondere dieses bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen. Grundsätzlich benötigt der Wohnungseigentümer insbesondere nicht die Zustimmung des Verwalters, bevor er sein Wohnungseigentum vermietet. Zwar ist allgemein anerkannt, dass die Wohnungseigentümer die Vermietung/Verpachtung von der Zustimmung eines Dritten entsprechend § 12 WEG abhängig machen können. Allerdings kann das Recht auf Vermietung des Sondereigentums nur durch die Gemeinschaftsordnung, d.h. eine Vereinbarung gem. §§ 10 Abs. 3, 15 WEG eingeschränkt werden. Ein Beschluss hingegen, der eine Vermietung und/oder Verpachtung untersagt oder wesentlich einschränkt, wie das hier mit dem streitgegenständlichen Beschluss zu TOP 28 der Fall ist, ist nichtig.

Da auch ein nichtiger Beschluss angefochten werden kann und auf denselben Lebenssachverhalt gestützte Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe nach h.M. insoweit keine unterschiedlichen Streitgegenstände betreffen, weil Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage materiell dasselbe Ziel verfolgen und einen einheitlichen Streitgegenstand haben, nämlich die Vernichtung eines konkreten Beschlusses, konnte auch ohne entsprechenden Antrag die Nichtigkeit eines angefochtenen Beschlusses festgestellt werden.

Die angefochtenen übrigen Beschlüsse der Eigentümerversammlung entsprachen hingegen ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Klägerin hat innerhalb der Klagebegründungsfrist keine Anfechtungsgründe vorgetragen. Soweit die Klägerin sinngemäß die Nichteinhaltung von Formvorschriften im Rahmen der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung gerügt hatte, insbesondere die fehlende Verkündung des Abstimmungsergebnisses bzw. des Beschlusses, ist sie für ihren ausdrücklich bestrittenen Vortrag beweisfällig geblieben.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.02.2022 16:06
Quelle: Justiz NRW

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