Otto Schmidt Verlag

BGH v. 2.2.2022 - XII ZR 46/21

Schadensersatz wegen zerbrochener Fensterscheibe in Tennishalle

Ein Tennisspieler kann eine vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht gedeckte Beschädigung der Tennishalle, in der er einen Tennisplatz gemietet hat, auch dann zu vertreten haben, wenn ihm kein Verstoß gegen die Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF) angelastet werden kann (im Anschluss an BGH v. 27.6.2018 - XII ZR 79/17).

Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten nach beendetem Mietverhältnis Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache und entgangenem Gewinn.

Die Klägerin betreibt eine Tennishalle, in der der Beklagte als Freizeitsportler regelmäßig einen Tennisplatz gemietet hat. Am 16.10.2018 spielte der Beklagte auf dem Platz Nr. 4, dessen seitliche Außenlinie im Abstand von 2,50 m zur Außenwand der Halle verläuft, die gänzlich mit großformatigen Fenstern verglast ist. Im Verlauf des Spiels prallte der Beklagte gegen eine der Glasscheiben, die dadurch zerbrach. Am 2.11.2018 ließ die Klägerin eine neue Fensterscheibe einsetzen. Die Reparaturkosten beliefen sich auf rd. 2.300 €. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten regulierte davon rd. 780 €, weil ihrer Auffassung nach für die zerstörte Scheibe ein Abzug "neu für alt" geboten sei.

Die Klägerin behauptet, der Austausch der Glasscheiben habe nicht vor dem 2.11.2018 erfolgen können. In der Zwischenzeit sei der Platz Nr. 4 nicht vermietbar gewesen, wodurch ihr ein Gewinn entgangen sei, den sie auf rd. 6.300 € errechnet. Mit der vorliegenden Klage nimmt sie den Beklagten auf die restlichen Reparaturkosten i.H.v. rd. 1.500 €, den entgangenen Gewinn und vorgerichtliche Anwaltskosten in Anspruch.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 535 BGB bzw. aus § 823 Abs. 1 BGB nicht verneint werden.

Wie der Senat bereits entschieden hat, sind bei gewerblichen Mietverhältnissen Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, auch nach Beendigung des Mietverhältnisses gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Geldzahlung (§ 249 Abs. 2 BGB) vom Mieter zu ersetzen. Gem. § 538 BGB hat der Mieter allerdings Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Verbrauch herbeigeführt werden, nicht zu vertreten. Hierunter können grundsätzlich auch Beschädigungen der Mietsache fallen.

Der Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs richtet sich jeweils nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und dem Vertragszweck. Der Inhalt des Vertrags ist insoweit nach allgemeinen Grundsätzen ggf. durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Vertragsgemäß sind nur solche Auswirkungen auf die Mietsache, welche ausschließlich auf dem üblichen Gebrauch im Rahmen des vereinbarten Vertragszwecks beruhen. Eine Beschädigung der Mietsache kann danach nur insoweit zum vertragsgemäßen Gebrauch gehören, als sie von dem vereinbarten Vertragszweck umfasst wird. Der Beklagte stellt nicht in Abrede, dass er eine Glasscheibe der Außenwand der Tennishalle beschädigt hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Beschädigung vom vereinbarten Vertragszweck gedeckt sein sollte, sind indessen weder festgestellt noch ersichtlich.

Die hier verursachte Beschädigung der Halle ist vom Vertragszweck des Tennisspiels nicht umfasst, weil sich dieser auf die räumlichen Grenzen des für die Sportausübung verfügbaren Raums beschränkt. Auch kannte der Beklagte die Lage des Platzes in der Halle und hat ihn in Kenntnis seiner räumlichen Begrenzung gemietet. Zudem wurde noch in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren deutlich, dass die Parteien selbst den Mietvertrag nicht dahin verstehen, dass die Beschädigung der Verglasung der Außenwand der Tennishalle zum vertragsgemäßen Gebrauch des Tennisplatzes gehört habe. Zu Unrecht ist das OLG davon ausgegangen, hinsichtlich der Beschädigung der Glasscheibe fehle es an einem Verschulden des Beklagten. Denn für die Frage, ob der Beklagte die Beschädigung der Glasscheibe auch zu vertreten hat, kann entgegen der Auffassung des OLG nicht allein darauf abgestellt werden, ob der Beklagte die Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF) eingehalten hat.

Die Obhutspflichten des Mieters eines Tennisplatzes werden nicht allein durch die Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF) konkretisiert, die sich zudem naturgemäß nur mit den Spielregeln des Tennissports befassen und den berechtigten Erwartungen des Vermieters keine Rechnung tragen. Entgegen der Auffassung des OLG kann mithin ein Tennisspieler, der in einer Halle auf einem gemieteten Tennisplatz spielt, eine vom vertragsgemäßen Gebrauch des Tennisplatzes nicht gedeckte Beschädigung der Tennishalle auch dann zu vertreten haben, wenn ihm kein Verstoß gegen die Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF) anzulasten ist.

Mehr zum Thema:

  • Rechtsprechung: OLG Celle vom 27.5.2021, 5 U 123/20 - Haftung des Hobbysportlers für während eines Wettkampfs verursachten Schaden (MDR 2021, 939)
  • Rechtsprechung: BGH vom 27.6.2018, XII ZR 79/17 - Schadensersatz wegen Beschädigung der Sachsubstanz der Mietsache (MDR 2018, 1050)
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.03.2022 15:21
Quelle: BGH online

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