Otto Schmidt Verlag

BGH v. 10.12.2021 - V ZR 121/20

Wasserschaden durch Abwasserkanal: Wer haftet?

Befindet sich auf einem Grundstück ein Abwasserkanal und nimmt das Nachbargrundstück durch aus dem Kanal austretendes Wasser Schaden, scheidet eine Haftung des Grundstückseigentümers gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 33 NbG LSA aus, wenn der Kanal zu einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gehört.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Eigentümer eines in Sachsen-Anhalt gelegenen Grundstücks, auf dem sich eine Fleischerei mit Verkaufsräumen befindet. Der Beklagten gehört das Nachbargrundstück auf dem sie eine Zugwaschanlage betreibt. Etwa 60 cm von der Grundstücksgrenze entfernt verlief auf dem Grundstück der Beklagten ein aus Betonplatten gemauerter Abwasserkanal mit einem Querschnitt von ca. 70 cm x 70 cm.

An der Einmündungsstelle in die öffentliche Kanalisation befand sich ein Abwasserrohr mit einem Durchleitungsquerschnitt von ca. 30 cm. Dieses Rohr wies durch Wurzelbewuchs teilweise starke Querschnittsverengungen auf. Betrieben wurde es von der Streitverkündeten, die im Auftrag der Stadt Halle (Saale) die Abwasserentsorgung durchführt. Im September 2010, an dem die Zugwaschanlage nicht in Betrieb war, trat nach Dauerregen Wasser aus dem Abwasserkanal aus und floss auf das Grundstück des Klägers. Durch einen Lüftungsschacht trat das Wasser in die Lagerräume der Fleischerei ein. Zwischenzeitlich wurde der Abwasserkanal umgebaut und ein Drosselungs-bauwerk errichtet.

Das LG hat die auf Schadensersatz i.H.v. 135.407 gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG den Klageantrag dem Grunde nach zu 75 % für gerechtfertigt erklärt und das Verfahren wegen der Höhe an das LG zurückverwiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten war vor dem BGH erfolgreich.

Gründe:
Zu Unrecht hat die Vorinstanz entschieden, dass die Beklagte nach § 33 NbG LSA für den Abwasserkanal verantwortlich sei, weil sie am Schadenstag Eigentümerin des Grundstücks war, auf dem sich der Kanal befand.

Die in § 33 NbG LSA normierte Pflicht, bauliche Anlagen so „einzurichten“, dass Traufwasser, Abwässer oder andere Flüssigkeiten nicht auf das benachbarte Grundstück übertreten, setzt voraus, dass der Grundstückseigentümer die Rechtsmacht hat, auf die bauliche Anlage einzuwirken. Dies ist in der Regel unproblematisch bei baulichen Anlagen, die der Grundstückseigentümer selbst errichtet hat und die als wesentliche Bestandteile in seinem Eigentum stehen (§ 946, § 94 Abs. 1 BGB).

Anders sieht es allerdings aus, wenn dem Grundstückseigentümer eine Einwirkung auf die bauliche Anlage rechtlich nicht möglich ist. So liegt es etwa, wenn die bauliche Anlage Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage ist. Hierfür ist der Grundstückseigentümer nicht verantwortlich. Befindet sich auf einem Grundstück ein Abwasserkanal und nimmt das Nachbargrundstück durch aus dem Kanal austretendes Wasser Schaden, scheidet eine Haftung des Grundstückseigentümers gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 33 NbG LSA aus, wenn der Kanal - wie hier - zu einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gehört.

Das OLG wird den Parteien Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu der Frage einzuräumen haben, ob der Abwasserkanal in den Verantwortungsbereich der Beklagten oder der Stadt Halle bzw. der von ihr mit der Abwasserbeseitigung beauftragten Streitverkündeten fällt. In diesem Zusammenhang kann es auch auf entsprechende Vereinbarungen der Beklagten mit der Stadt bzw. der Streitverkündeten ankommen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.03.2022 12:24
Quelle: BGH online

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