Otto Schmidt Verlag

BGH v. 10.12.2021 - V ZR 32/21

WEG-Verwalter kann auch bei eigenmächtiger Instandsetzung Ersatzanspruch geltend machen

Dem WEG-Verwalter, der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführt, kann gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht zustehen.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte war bis Ende 2015 Verwalterin der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Im Jahr 2014 hatten die Wohnungseigentümer beschlossen, für ein Gesamtvolumen von rund 40.000 € brutto eine Firma mit der Erneuerung der Eingangstüren und der Briefkastenanlagen zu beauftragen. Die Beklagte beauftragte daraufhin eine andere Firma, die ein günstigeres Angebot abgegeben hatte und die Arbeiten für 36.300 € ausführte.

Die Beklagte beglich die Rechnungen aus Mitteln der Klägerin. Diese verweigerte daraufhin die Genehmigung des Vertrages. Die Klägerin verlangte von der Beklagten Rückzahlung der geleisteten Zahlungen. Die Beklagte hat gegen die Klageforderung die Aufrechnung mit nach ihrer Darstellung in gleicher Höhe bestehenden Gegenansprüchen erklärt, da die Klägerin nach der Durchführung der Sanierungsmaßnahme bereichert sei.

AG und LG haben die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH die Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen.

Gründe:
Die materiell-rechtlichen Ansprüche der Parteien beurteilen sich zwar mangels abweichender Übergangsvorschriften nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung, da der zu entscheidende Sachverhalt bereits abgeschlossen ist. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme der Vorinstanzen, ein Gegenanspruch der Beklagten bestehe nicht.

Dem Verwalter steht grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der ihm bei der Geschäftsführung für die GdWE entstandenen Aufwendungen nach § 670 BGB zu. Der Verwaltervertrag ist ein auf Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag. Es gehört zum gesetzlichen Leitbild dieses Vertrags, dass die Kosten aus der Ausführung der Geschäftsbesorgung nicht von dem Beauftragten, sondern von dem Auftraggeber zu tragen sind, in dessen Interesse die Geschäftsbesorgung erfolgt. Der Verwalter muss allerdings - wie jeder im fremden Interesse handelnde Geschäftsbesorger - die Beschlüsse der Wohnungseigentümer gemäß dem ihm bekannten Willen und dem Interesse der Wohnungseigentümer durchführen.

Diese Verpflichtung hatte die Beklagte zwar verletzt, als sie von dem Beschluss der Wohnungseigentümer, eine andere Firma zu beauftragen, abgewichen ist. Ob dem Verwalter ein Erstattungsanspruch gegen die GdWE aus den allgemeinen Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Bereicherungsrechts zustehen kann, wenn er eigenmächtig Instandsetzungs- und In-standhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführen lässt, die weder durch einen Beschluss der GdWE noch von seiner Notgeschäftsführungskompetenz nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG aF (nunmehr § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG) gedeckt sind, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird - der Auffassung des Berufungsgerichts entsprechend - angenommen, der auf Rückzahlung unbefugt verwendeten Geldes in Anspruch genommene Verwalter könne der Gemeinschaft keine Ersatzansprüche entgegenhalten, die sich darauf gründeten, dass der Gemeinschaft infolge der unbefugten Maßnahme eine Bereicherung zugeflossen sei.

Nach anderer Auffassung finden dagegen die allgemeinen Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts Anwendung. Dies wird für sowohl das hier anwendbare, vor Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 geltende Recht vertreten. Der Senat hat einen Verwendungsersatzanspruch des Verwalters gem. § 684 Satz 1, § 812 BGB in derartigen Fällen in der Vergangenheit ebenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Und die besseren Gründe sprechen für die letztgenannte Auffassung. Die Rechtsprechung des Senats ist nicht dahin zu verstehen, dass jeder eigenmächtig Handelnde mit Erstattungsansprüchen nach den allgemeinen Vorschriften ausgeschlossen ist. Dem Verwalter, der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführt, kann gegenüber der GdWE vielmehr ein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht zustehen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.04.2022 13:12
Quelle: BGH online

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