Otto Schmidt Verlag

BGH v. 11.3.2022 - V ZR 77/21

Heilung eines Mangels bei der Einberufung der Eigentümerversammlung durch Nichtberechtigten

Der Mangel der Einberufung der Eigentümerversammlung durch einen Nichtberechtigten wird geheilt, wenn sämtliche Wohnungseigentümer an der Versammlung und der Abstimmung teilnehmen; dabei kommt es nicht darauf an, ob den Wohnungseigentümern die fehlende Einberufungsberechtigung bekannt war.

Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anlage war von der G-GmbH & Co. KG (Bauträgerin) errichtet und aufgeteilt worden. In Nr. 11 Abs. 2 der Teilungserklärung (TE) vom 28.11.2017 heißt es:

„Zum ersten Verwalter wird die [Bauträgerin] bestellt. Ihr obliegt das Recht, bis zum vollständigen Bezug des Objekts für einen Zeitraum bis zum 31.12.2020 einen anderweitigen Verwalter einseitig zu bestimmen.“

Die Klägerin kaufte eine Wohnung und wurde am 14.1.2019 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Im April 2019 bestimmte die Bauträgerin die L-GmbH & Co. KG zur Verwalterin und schloss mit dieser einen Verwaltervertrag ab. Zu diesem Zeitpunkt war die Anlage noch nicht vollständig bezogen. Mit Schreiben vom 28.5.2019 lud die neue Verwalterin zur ordentlichen Eigentümerversammlung für den 14.6.2019 ein. In der Versammlung wurden Beschlüsse über den Wirtschaftsplan für das Jahr 2019 (TOP 5.1.) und über den Plan für die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage 2019 (TOP 5.2.) gefasst; in der Ladung war eine solche Beschlussfassung für das Jahr 2020 angekündigt worden.

Das AG hat der hiergegen gerichteten Beschlussmängelklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Berufung sei unzulässig, weil es an der Vollmacht des seitens der neuen Verwalterin beauftragten Prozessbevollmächtigten fehle. Die Annahme, dass es insoweit nicht auf die Wirksamkeit der einseitigen Verwalterbestellung ankommt, ist auch dann rechtsfehlerfrei, wenn unterstellt wird, dass die Verwalterbestellung unwirksam war. Für ein Beschlussmängelverfahren, in dem die Wirksamkeit der einseitigen Bestellung des Verwalters durch den teilenden Eigentümer im Streit steht, ist der Verwalter als berechtigt anzusehen, die beklagten übrigen Wohnungseigentümer zu vertreten und für diese Zustellungen entgegenzunehmen.

In der Sache ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die geltend gemachten Beschlussmängel verneint; diese sind nach dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden Recht zu beurteilen. Ein Beschlussmangel liegt zunächst nicht deshalb vor, weil die neue Verwalterin nicht befugt war, die Eigentümerversammlung einzuberufen. Allerdings legt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zugrunde, dass die neue Verwalterin nicht gem. Nr. 11 Abs. 2 TE zur Verwalterin bestellt worden war und dass sie infolgedessen nicht gem. § 24 Abs. 1 WEG aF befugt war, die Eigentümerversammlung vom 14.6.2019 einzuberufen. Eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Regelung, mit der sich der zunächst zum Verwalter bestellte teilende Eigentümer die einseitige Bestimmung eines anderen Verwalters in der Aufteilungsphase vorbehält, ist unter Geltung des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung jedenfalls insoweit unwirksam, als der Vorbehalt nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft fortgelten soll.

Der Mangel der Einberufung der Eigentümerversammlung durch einen Nichtberechtigten wird geheilt, wenn sämtliche Wohnungseigentümer an der Versammlung und der Abstimmung teilnehmen; dabei kommt es nicht darauf an, ob den Wohnungseigentümern die fehlende Einberufungsberechtigung bekannt war. Das entspricht ganz herrschender und zutreffender Meinung. Und so liegt es hier. Im vorliegenden Fall waren sämtliche stimmberechtigten Wohnungseigentümer anwesend.

Dem Protokoll lässt sich lediglich entnehmen, dass zwei Erwerber nicht geladen worden waren, weil die neue Verwalterin sie trotz bestehender Zweifel nicht als werdende Wohnungseigentümer eingeordnet hatte. Sollte im Berufungsverfahren streitig gewesen sein, ob diese Erwerber werdende Wohnungseigentümer waren, hätte eine Tatbestandsberichtigung in dem Verfahren nach § 320 ZPO erfolgen müssen. Einen eigenständigen Beschlussmangel kann die Revision daraus im Übrigen auch deshalb nicht herleiten, weil sie nicht aufzeigt, dass die Klage innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG aF auf diesen Punkt gestützt und Vortrag dazu gehalten worden ist.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.04.2022 14:53
Quelle: BGH online

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