Otto Schmidt Verlag

BGH v. 28.4.2022 - V ZB 4/21

Zum Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück durch einen Minderjährigen

Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück durch einen Minderjährigen führt gem. § 566 BGB zu dessen Eintritt in den Mietvertrag auf Vermieterseite und ist deshalb für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB. Dies gilt auch, wenn der Veräußerer den Miteigentumsanteil zuvor von dem Alleineigentümer des Grundstücks erworben hat, denn bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück durch den bisherigen Alleineigentümer tritt der Erwerber gem. § 566 BGB ebenfalls neben diesem in den Vertrag auf Vermieterseite ein.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligte zu 1) ist eine GbR, deren Gesellschafter der Beteiligte zu 2) und der Beteiligte zu 3) sind. Sie ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem vermieteten Mehrfamilienhaus bebaut ist. Im März 2016 wwar in das Grundbuch ein Nießbrauch für zwei nicht am Verfahren beteiligte Personen als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB eingetragen worden. Am 9.3.2020 ließ der Beteiligte zu 2) eine Vereinbarung notariell beurkunden, wobei er im eigenen Namen sowie als Bevollmächtigter seiner Ehefrau und im Namen ihrer gemeinsamen minderjährigen Kinder, der Beteiligten zu 4) und 5), handelte sowie aufgrund Vollmacht im Namen des Beteiligten zu 3).

Die Vereinbarung sieht die Übertragung von 93,8/100 Miteigentumsanteilen an dem Grundstück von der Beteiligten zu 1) auf den Beteiligten zu 2) vor sowie die anschließende schenkungsweise Übertragung von jeweils 46,9/100 Miteigentumsanteilen von dem Beteiligten zu 2) auf die Beteiligten zu 4) und 5). Die Notarin reichte diese Urkunde beim Grundbuchamt mit der Bitte um entsprechende Eintragungen ein.

Das Grundbuchamt forderte die Notarin daraufhin auf, die Genehmigung der Übertragung der Miteigentumsanteile auf die Beteiligten zu 4) und 5) durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger einzureichen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das KG zurückgewiesen. Auch die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten vor dem BGH blieb erfolglos.

Gründe:
Der Beteiligte zu 2) und seine Ehefrau waren von der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder bei der Auflassung nach § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 181 BGB ausgeschlossen. Sie waren auch nicht deswegen ausnahmsweise ungeachtet des Ausschlusses nach § 1795 BGB zur Vertretung ihrer Kinder befugt, weil sich der Erwerb des Miteigentums an dem Grundstück für diese als lediglich rechtlich vorteilhaft darstellt. Denn so liegt der Fall hier nicht.

Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück durch einen Minderjährigen führt gem. § 566 BGB zu dessen Eintritt in den Mietvertrag auf Vermieterseite und ist deshalb für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB (Fortführung von Senat, Beschluss vom 3.2.2005 - V ZB 44/04). Dies gilt auch, wenn der Veräußerer den Miteigentumsanteil zuvor von dem Alleineigentümer des Grundstücks erworben hat, denn bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem vermieteten Grundstück durch den bisherigen Alleineigentümer tritt der Erwerber gem. § 566 BGB ebenfalls neben diesem in den Vertrag auf Vermieterseite ein.

Soweit die Rechtsbeschwerde dem entgegenhält, es handele sich hier-bei nur um eine bloß theoretische Möglichkeit einer zukünftigen Belastung, die für die Annahme eines rechtlichen Nachteils nicht genüge, trifft dies nicht zu. Richtig ist zwar, dass die bloß theoretische Möglichkeit einer zukünftigen Belastung nicht genügt, um einen Rechtsnachteil i.S.v. § 107 BGB anzunehmen. Deshalb ist die Schenkung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt nicht bereits deshalb rechtlich nachteilig, weil eine in Zukunft erfolgende Vermietung oder Verpachtung durch den Nießbraucher nicht ausgeschlossen werden kann. Ist das Grundstück dagegen bereits im Zeitpunkt der Auflassung vermietet oder verpachtet, besteht die hinreichend konkrete Möglichkeit, dass der Minderjährige bei Beendigung des Nießbrauchs mit Pflichten aus dem Miet- oder Pachtvertrag belastet werden kann. Dies genügt, um einen Rechtsnachteil anzunehmen.

Infolgedessen ist die dingliche Einigung als Rechtsgeschäft nach § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam. Mit der Genehmigung durch den Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) würde die Auflassung rückwirkend (§ 184 Abs. 1 BGB) wirksam. Das Grundbuchamt hat daher die beantragten Eintragungen zu Recht von der Vorlage der Genehmigung der Auflassung durch einen Ergänzungspfleger abhängig gemacht (§ 20 GBO).

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.06.2022 13:14
Quelle: BGH online

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