Otto Schmidt Verlag

LG Berlin v. 2.6.2022 - 67 S 259/21

EuGH-Vorlage zu den Anforderungen an die Beschriftung eines Internet-Bestellbuttons

Zu den Anforderungen an die Beschriftung eines Internet-Bestellbuttons in Fällen, in denen der Verbraucher aufgrund eines auf elektronischem Wege angebahnten Vertragsschlusses nicht unbedingt, sondern nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - etwa ausschließlich im späteren Erfolgsfall einer beauftragten Rechtsverfolgung oder im Fall der späteren Versendung einer Mahnung an einen Dritten - zur Zahlung verpflichtet ist.

Der Sachverhalt:
Die mehrfach umfirmierte Klägerin ist eine GmbH, die über eine Registrierung gem. § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt. Sie hat aus abgetretenem Recht des Mieters einer Wohnung der beklagten Vermieterin Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB) geltend gemacht. Die Klägerin bietet Wohnungsmietern über eine von ihr betriebene Internetseite u.a. die Möglichkeit an, sie durch Klicken eines Buttons, der mit der Aufschrift „weiter“ oder „Mietsenkung beauftragen“ oder „Mietendeckelersparnis retten“ versehen ist, mit der außergerichtlichen Durchsetzung von Forderungen sowie etwaiger Feststellungsbegehren gegen ihren Vermieter „im Zusammenhang mit der sogenannten Mietpreisbremse“ zu beauftragen, insbesondere zur Geltendmachung von Auskunftsansprüchen, des Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete.

Der Mieter der streitgegenständlichen Wohnung durchlief auf der Internet-Seite der Klägerin deren sog. „Registrierungsecke“, setzte ein Häkchen zur Zustimmung zu den von der Klägerin verwandten AGB und klickte auf den von der Klägerin zur Verfügung gestellten „Bestell-Button“. Im Nachgang dazu unterzeichnete der Mieter am 16.1.2020 ein mit „Bestätigung, Vollmachtserteilung und Abtretung, Genehmigung“ überschriebenes und von der Klägerin überlassenes Formular. Einen Hinweis auf eine Zahlungspflicht des Mieters enthielt das Formular nicht.

Das AG gab der Klage statt. Es war insbesondere der Ansicht, dass die geltend gemachte Abtretung nicht gem. § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen die Vorgaben des RDG unwirksam sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Gründe:
Der Erfolg der Berufung hängt von der Auslegung des Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 RL 2011/83/EU des EU-Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der RL 93/13/EWG des Rates und der RL 1999/44/EG des EU-Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der RL 85/577/EWG des Rates und der RL 97/7/EG des EU- Parlaments ab.

Zwar steht der Aktivlegitimation der Klägerin eine Unwirksamkeit der Abtretung wegen eines Verstoßes gegen das RDG nicht entgegen. Der Klägerin stünden die vom Amtsgericht zuerkannten Ansprüche aber nur zu, sofern diesen nicht die §§ 312j Abs. 3, Abs. 4 BGB entgegenstehen sollten. Nach § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB hat in den Fällen, in denen bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Rechtsverkehr die Bestellung über eine Schaltfläche erfolgt, der Unternehmer die Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu beschriften. Kommt der Unternehmer seinen Pflichten aus § 312j Abs. 3 BGB nicht nach, kommt gem. § 312j Abs. 4 BGB ein Vertrag - nach § 312j Abs. 2 BGB - nicht zustande.

Dass die Klägerin den Anforderungen des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB nicht genügt hat, steht fest. Denn der Mieter hatte die Klägerin durch Betätigung des Buttons „weiter“, nach dem Vorbringen der Beklagten durch Betätigung eines mit der Aufschrift „Mietsenkung beauftragen“ oder „Mietendeckelersparnis retten“ versehenen Buttons beauftragt. Unstreitig war der Button nicht mit der Aufschrift „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung versehen. Nur dadurch aber hätte die Klägerin den Vorgaben des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB und des zu seiner unionsrechtskonformen Auslegung heranzuziehenden Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 RL 2011/83/EU genügt. Die Unvereinbarkeit der von der Klägerin verwandten Schaltfläche mit den Anforderungen des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB steht einer Entstehung der geltend gemachten Ansprüche in den Händen der Klägerin entgegen, sofern die §§ 312j Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 BGB hier anwendbar sein sollten.

Infolgedessen legt die Kammer dem EuGH die folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Steht es mit Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 Richtlinie 2011/83/EU in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 312j Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 BGB in seiner vom 13.6.2014 bis 27.5.2022 geltenden Fassung) dahin ausgelegt wird, dass deren Anwendungsbereich ebenso wie der des Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 Richtlinie 2011/83/EU auch dann eröffnet ist, wenn der Verbraucher dem Unternehmer zum Zeitpunkt des auf elektronischem Wege herbeigeführten Vertragsschlusses nicht unbedingt, sondern nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - etwa ausschließlich im späteren Erfolgsfall einer beauftragten Rechtsverfolgung oder im Falle der späteren Versendung einer Mahnung an einen Dritten - zur Zahlung verpflichtet ist?

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.06.2022 12:33
Quelle: Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank

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