Otto Schmidt Verlag

OLG Frankfurt a.M. v. 18.5.2022 - 2 W 45/22

Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ ist sittenwidrig

Die Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ ist sittenwidrig und damit nichtig. Die beabsichtigte Klage eines Pächters nach fristloser Kündigung des Pachtvertrags auf Schadensersatz u.a. wegen der entgangenen Mieteinnahmen hat somit keine Erfolgsaussicht.

Der Sachverhalt:
Der Antragsteller hatte im Frühjahr 2014 vom Antragsgegner für zehn Jahre drei Gebäude gepachtet. Diese durfte er zu Wohnzwecken nutzen und untervermieten. Im Jahr 2015 erfolgte eine polizeiliche Kontrolle der Gebäude, bei der man dort 61 Personen antraf. In lokaler Berichterstattung wurde die dortige Wohnsituation Ende 2016 als unverändert geschildert und darauf hingewiesen, dass Wohnraum „pro Matratze“ an Bulgaren und Rumänen vermietet werde und das Gebäude verwahrlose. Nach Angaben des Ordnungsamtes waren in dem Objekt 85 Personen gemeldet. Im Jahr 2018 wurde anlässlich von Ortsterminen des Sozialdezernenten und Mitarbeitern des Baudezernats erneut von unveränderten Zuständen lokal berichtet. Es erfolgte u.a. ein Bescheid des Magistrats zur unverzüglichen Bekämpfung des infolge Vermüllung vorhandenen Rattenbefalls.

Der Antragsgegner kündigte im Mai 2019 den Pachtvertrag fristlos wegen Zahlungsverzugs und erteilte dem Antragsteller ein Hausverbot. Der Antragsteller forderte dagegen Erstattung entstandener Renovierungskosten und verwies auf nicht eingehaltene Verkaufspläne. Mit dem streitgegenständlichen Antrag begehrte er Prozesskostenhilfe, um den Antragsgegner auf Zahlung von gut 100.000 € Schadensersatz zu verklagen.

Das LG hatte den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde vor dem OLG blieb erfolglos. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die beabsichtigte Klage ist nicht erfolgversprechend.

Dem Antragsteller stehen keinerlei Zahlungsansprüche gegen den Antragsgegner zu. Pflichtverletzungen des Antragsgegners im Zusammenhang mit dem Verkauf sind nicht ersichtlich. Das Pachtverhältnis ist zudem wegen Verwahrlosung der Pachtsache und Zahlungsverzugs wirksam fristlos gekündigt worden. Der Antragsteller hatte die Pachtsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erheblich gefährdet und sie unbefugt Dritten überlassen. Der Zustand ergab sich aus den Feststellungen im ordnungspolizeilichen Bescheid des Magistrats; zudem hatte der Antragsteller die Angaben in den Presseberichten nicht konkret bestritten.

Durch das Hausverbot habe der Antragsgegner zwar verbotene Eigenmacht ausgeübt. Ein Anspruch auf deshalb entfallene Mieteinnahmen steht dem Antragsteller aber nicht zu, da das Pachtverhältnis bereits wirksam gekündigt war. Zudem wäre eine Untervermietung der gepachteten Räume angesichts des Zustands der Pachtsache schwer oder gar nicht möglich gewesen. Die Polizei hatte im August 2019 festgestellt, dass der Aufenthalt von Menschen in den Räumen einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Gesundheitsschutz und Gefahrenabwehr hatten gegen ein Aufenthaltsrecht gesprochen.

Ob die zuvor praktizierte Untervermietung gegen die guten Sitten verstieß, musste hier zwar nicht entschieden werden. Eine Vermietung von Wohnraum pro Matratze an Rumänen und Bulgaren ist jedoch grundsätzlich sittenwidrig und führte somit zur Nichtigkeit der Untermietverhältnisse. Die Untermietverhältnisse verstießen zudem gegen das Verbot der Überbelegung von Wohnraum gem. § 7 HWoAufG).

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.06.2022 11:09
Quelle: OLG Frankfurt a.M. – Pressemitteilung v. 23.6.2022

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