Otto Schmidt Verlag

BGH v. 6.5.2022 - V ZR 282/20

Kenntnis der Mangelhaftigkeit des Kaufsache in der Konstellation Vertragsabschluss durch vollmachtlosen Vertreter

Wird der Käufer bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten, kommt es für seine Kenntnis vom Mangel i.S.v. § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung an; solange er die Genehmigungserklärung nicht in den Verkehr gebracht hat, muss er neu gewonnene Kenntnisse über Mängel der Kaufsache gegen sich gelten lassen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangt Zahlung einer Maklerprovision für den Abschluss eines Kaufvertrages über ein Grundstück. Der Kaufvertrag wurde am 3.4.2019 notariell beurkundet, wobei der Kläger als vollmachtloser Vertreter auftrat. Die Beklagte ließ die Genehmigungserklärung am 15.4.2019 notariell beglaubigen, übersandte diese jedoch erst am 29.5.2019 dem beurkundenden Notar.

In der Zwischenzeit hatte die Beklagte erfahren, dass die Fläche des Grundstücks tatsächlich geringer ist als im Kaufvertrag angegeben. Daher verweigerte sie die Zahlung der Maklerprovision. Gegenstand des Rechtsstreits war sodann die Frage, wie sich auswirkt, dass die Beklagte die Kenntnis von der Flächenabweichung zwar nach der Beurkundung ihrer Genehmigung des Kaufvertrages, aber vor Übersendung dieser Genehmigung erhalten hat.

Das LG gab der Klage auf Zahlung der Maklerprovision statt; die Berufung der Beklagten wies das OLG zurück. Der BGH hat nun auch die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Beklagte muss die Maklerprovision zahlen, weil sie vor der Übersendung der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung an den beurkundenden Notar von den Flächenabweichungen Kenntnis erlangt hat.

Nach § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels, den er bei Vertragsschluss kennt, ausgeschlossen. Zu Stande gekommen ist der Kaufvertrag hier nach § 177 Abs. 1 BGB erst mit dem Zugang der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung der Beklagten bei dem Notar. Zu diesem Zeitpunkt waren der Beklagten die Flächenabweichungen bereits bekannt.

Wird der Käufer - wie hier - bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten, kommt es für seine Kenntnis vom Mangel i.S.v. § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung an. Denn er ist nach Sinn und Zweck des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB in gleicher Weise schutzwürdig wie im Falle eines gestreckten Vertragsschlusses, wenn ihm die Mängel erst nach Abgabe der Genehmigungserklärung bekannt werden.

Dagegen kann entgegen der Auffassung der Revision aus der in § 184 Abs. 1 BGB normierten Rückwirkung der Genehmigung nicht gefolgert werden, dass es auf die Beurkundung des Kaufvertrags ankommt. Denn vor der Genehmigung gibt es keine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung des Käufers. Dieser hat vielmehr den Vertragsschluss noch in der Hand, solange er nicht genehmigt hat.

Abgegeben im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, wenn sie mit Willen des Erklärenden in den Rechtsverkehr gebracht worden ist. Solange der Käufer die Genehmigungserklärung nicht in den Verkehr gebracht hat, muss er neu gewonnene Kenntnisse über Mängel der Kaufsache gegen sich gelten lassen. Denn ansonsten verhielte er sich widersprüchlich.

Danach sind etwaige Rechte der Beklagten gemäß § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Sie hat zwar am 15.4.2019 die Genehmigungserklärung notariell beglaubigen lassen, hat diese aber erst am 29.5.2019 dem beurkundenden Notar übersandt. Die nach der Beglaubigung, aber vor der Übersendung erlangte Kenntnis von der Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes muss sie gegen sich gelten lassen.

Mehr zum Thema:

BGB-Kommentierung
§ 442 Kenntnis des Käufers
Grunewald in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.07.2022 12:07
Quelle: BGH online

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