Otto Schmidt Verlag

BGH v. 16.9.2022 - V ZR 214/21

WEG: Ermittlung des Verbrauchs im Wege einer rechnerisch zutreffenden Differenzberechnung

Ist bei einer Wohnungseigentumsanlage mit verschiedenen Ausstattungen zur Verbrauchserfassung der anteilige Verbrauch einer oder mehrerer Nutzergruppe(n) entgegen § 5 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV aF nicht mit einem separaten Wärmemengenzähler vorerfasst worden, entspricht die Abrechnung der Heizkosten in der Regel dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Ermittlung des Verbrauchs im Wege einer rechnerisch zutreffenden Differenzberechnung unter Berücksichtigung der ermittelten Verbrauchsdaten erfolgt.

Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Der Wärmeverbrauch wird in den Einheiten zum Teil durch Wärmemengenzähler, zum Teil durch Heizkostenverteiler ermittelt. Wärmemengenzähler erfassen den Wärmeverbrauch mengenmäßig, während Heizkostenverteiler nicht den Wärmeverbrauch messen, sondern den anteiligen Verbrauch im Verhältnis zum Gesamtverbrauch festlegen. Die Anlage verfügt nicht über eine Vorrichtung  zur Vorerfassung des anteiligen Gesamtverbrauchs der jeweils gleich ausgestatteten Einheiten.

In der Eigentümerversammlung vom 18.12.2017 war unter TOP 2 ein Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung für das Jahr 2016 gefasst worden. Der Kläger wandte sich mit der Anfechtungsklage gegen die Verteilung der Heizkosten in den Einzelabrechnungen. Das AG hat den Beschluss insoweit für ungültig erklärt. Das LG hat die Entscheidung bestätigt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Gründe:
Von Rechtsfehlern beeinflusst sind die Erwägungen des Berufungsgerichts, eine fehlende Vorerfassung habe im Wohnungseigentumsrecht zur Folge, dass eine Abrechnung zu erstellen sei, bei der - sofern eine Schätzung nach § 9a Abs. 1 HeizkostenV ausscheide - die Heizkosten nach dem Flächenmaßstab gem. § 9a Abs. 2 HeizkostenV zu verteilen sind; bei einem Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV aF ist dem Zweck der Heizkostenverordnung zu entnehmen, dass eine Abrechnung grundsätzlich durch eine rechnerische Ermittlung der Verbrauchsanteile zu erfolgen hat.

Wie im Wohnungseigentumsrecht in derartigen Fällen, in denen eine der Heizkostenverordnung entsprechende Abrechnung mangels Vorerfassung des Wärmeverbrauchs der jeweiligen Nutzergruppen nicht mehr erstellt werden kann, zu verfahren ist, kann - wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt - der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats zum Wohnraummietrecht nicht ohne Weiteres entnommen werden. Die Ausführungen beziehen sich nicht allgemein auf eine ordnungsgemäße Abrechnung nach der Heizkostenverordnung, sondern auf die Frage, welche Abrechnung dem Kürzungsrecht, das dem Mieter nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV bei einer nicht der Heizkostenverordnung entsprechenden Abrechnung zusteht, zugrunde zu legen ist.

Diese Frage stellt sich jedoch im Wohnungseigentumsrecht nicht. Denn den Wohnungseigentümern steht - anders als den Mietern – gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 1. Hs. HeizkostenV aF kein Recht zur Kürzung des auf den Nutzer entfallenden Anteils der Kosten zu. Diese Regelung ist Ausdruck der unterschiedlichen Interessenlage der Beteiligten. Ein Kürzungsrecht kann im Wohnungseigentumsrecht schon deswegen nicht bestehen, weil dies dazu führen könnte, dass bestimmte Kosten nicht gezahlt würden; im Wohnungseigentumsrecht sind jedoch sämtliche Kosten zwingend zwischen den Wohnungseigentümern zu verteilen. Im Wohnraummietrecht hingegen belastet es allein den Vermieter, wenn er bestimmte Kosten nicht abrechnet oder ein Kürzungsrecht erfolgreich geltend gemacht wird. Eine Pflicht, sämtliche Kosten zu verteilen, besteht für ihn nicht.

Gleichwohl kann es aber im Wohnungseigentumsrecht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, eine Abrechnung im Wege einer Differenzberechnung vorzunehmen, wie sie der VIII. Zivilsenat als Grundlage für das Kürzungsrecht des Mieters akzeptiert hat. Nach dem insoweit maßgeblichen Regelungszweck der Heizkostenverordnung ist im Ergebnis davon auszugehen, dass bei einer Wohnungseigentumsanlage mit verschiedenen Ausstattungen zur Verbrauchserfassung, bei der der anteilige Verbrauch einer oder mehrerer Nutzergruppe(n) entgegen § 5 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV aF nicht mit einem separaten Wärmemengenzähler vorerfasst worden ist, die Abrechnung der Heizkosten in der Regel dann ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn die Ermittlung des Verbrauchs im Wege einer rechnerisch zutreffenden Differenzberechnung unter Berücksichtigung der ermittelten Verbrauchsdaten erfolgt.

Die Überlegung des Berufungsgerichts, nur durch eine Neuabrechnung könne der Druck auf die GdWE zur Installation der nach § 5 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV aF (§ 5 Abs. 7 Satz 1 HeizkostenV nF) notwendigen Wärmemengenzähler erhöht werden, trifft nicht zu. Sie lässt nämlich außer Acht, dass den Wohnungseigentümern als Mitgliedern der GdWE Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, mit denen sie die Installation der für die Vorerfassung erforderlichen Geräte - namentlich Wärmemengenzählern - durchsetzen können. Die Wohnungseigentümer haben im Rahmen der ihnen obliegenden ordnungsmäßigen Verwaltung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss die Voraussetzungen für eine der Heizkostenverordnung entsprechende Abrechnung zu schaffen. Dazu gehört nach § 3 Satz 2 HeizkostenV auch die Entscheidung über die Anbringung und Auswahl der erforderlichen Ausstattung nach den §§ 4 und 5 HeizkostenV. Der einzelne Wohnungseigentümer kann den Anspruch auf Ausstattung gegen die GdWE im Wege der Beschlussersetzungsklage gem. § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG geltend machen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.11.2022 10:39
Quelle: BGH online

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