Otto Schmidt Verlag

AG Köln v. 9.1.2023 - 203 C 144/22

Unwirksame Eigenbedarfskündigung: Erbe ist nicht automatisch neuer Vermieter

§ 566 BGB findet auf die Erbauseinandersetzung weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung. Eine Vereinbarung zum Übergang von Lasten und Nutzungen enthält keine Ermächtigung des Erwerbers zur Ausübung von Gestaltungsrechten (hier: dem Ausspruch der Kündigung).

Der Sachverhalt:
Die streitgegenständliche und ca. 81 qm große 3-Zimmer-Wohnung stand zunächst im Eigentum der Mutter des Klägers Mit gemeinschaftlichem notariellem Testament vom 4.12.2002 vermachte sie ihrem Ehemann, dem Vater des Klägers (Nießbraucher), das lebenslange Nießbrauchrecht an der Wohnung. Als Erben setzten sie und der Nießbraucher zu jeweils einem Drittel den Kläger und seine beiden Schwestern ein.

Nach dem Tod der ursprünglichen Eigentümerin am 6.7.2004 wurden der Kläger und seine beiden Schwestern im Jahr 2005 als Eigentümer in Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen. Am 13.11.2016 schlossen die Beklagten einen Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung mit dem Nießbraucher. Am 1.7.2017 verstarb der Nießbraucher. Am 5.3.2018 vereinbarten der Kläger und seine beiden Schwestern eine Teil-Erbauseinandersetzung. Die Erben vereinbarten die „Übertragung“ u.a. der streitgegenständlichen Wohnung an den Kläger gegen eine „Herauszahlungsverpflichtung“ und erklärten die Auflassung. Fortan zahlten die Beklagten die Miete an den Kläger und kommunizierten ausschließlich mit ihm.

Am 23.5.2018 wurde der Kläger als Alleineigentümer ins Grundbuch eingetragen. Ihm gehören auch zwei weitere Wohnungen des Objektes, die von seinen Kindern, jedenfalls teils in Wohngemeinschaften, bewohnt werden. Mit Schreiben vom 20.2.2021 verlangte der Kläger von den Beklagten zunächst die Zustimmung zur Mieterhöhung, die diese abgaben. Am 28.2.2022 kündigte er den Beklagten wegen Eigenbedarfs. Seine 19-jährige Tochter habe eine Lehre als Konditorin in Köln begonnen und plane gemeinsam mit ihren Geschwistern, die in anderen Wohnungen des Objekts leben, im selben Haus zu wohnen. Die Beklagten widersprachen der Kündigung.

Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen.

Die Gründe:
Ein Herausgabeanspruch ergab sich weder aus § 546 Abs. 1 BGB noch aus § 985 BGB.

Die Kündigung des Klägers vom 28.2.2022 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Bei einer Mehrheit von Vermietern muss die Kündigung von bzw. im Namen von und für alle Vermieter ausgesprochen werden, wenn nicht einer der Vermieter oder ein Dritter zum Ausspruch der Kündigung im eigenen Namen ermächtigt ist. Eine derartige Personenmehrheit bestand hier auf Vermieterseite; der Kläger hatte nicht im Namen aller Vermieter gehandelt und war auch nicht ermächtigt, im eigenen Namen zu handeln. Der Kläger war entgegen seiner Auffassung nicht alleiniger Vermieter geworden. Vermieter sind vielmehr weiter er und seine Schwestern gemeinsam.

Der Kläger ist nicht durch die Teil-Erbauseinandersetzung vom 5.3.2018 alleiniger Vermieter geworden. Es ist zwar zutreffend, dass der Kläger infolge der Teilauseinandersetzung und ihrer Umsetzung alleiniger Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung geworden ist und sie auch auf seine Tochter übertragen kann, wobei dann § 566 BGB zulasten der Tochter des Klägers entsprechend anzuwenden sein dürfte. Dies sagt aber über die Auswirkungen der in Erfüllung einer Auseinandersetzungsvereinbarung erfolgten dinglichen Rechtsänderungen auf schuldrechtliche Beziehungen zu Dritten nichts aus. Ein von dem Kläger für sich in Anspruch genommener erbrechtlicher Grundsatz dahingehend, dass die Erbauseinandersetzung auf Schuldverhältnisse des Erblassers bzw. der Erben mit Dritten wirkt, existiert nicht. Der Kläger hat insoweit die dingliche Rechtslage bzw. die schuldrechtlichen Abreden der Erben im Innenverhältnis mit den hiervon grundsätzlich unabhängigen schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem sich auf die übertragene Wohnung beziehenden Mietverhältnis mit den Beklagten vermengt.

Der Kläger ist auch nicht nach oder analog § 566 BGB mit Eigentumserwerb alleiniger Vermieter geworden, denn auf die Erbauseinandersetzung findet die genannte Vorschrift weder direkte noch entsprechende Anwendung. Der Kläger war auch nicht durch eine einvernehmliche Vertragsänderung alleiniger Vermieter geworden. Eine derartige Vertragsänderung hätte übereinstimmende Willenserklärungen der Miterbinnen, des Klägers und beider Beklagter gebraucht. Hieran fehlte es jedenfalls auf Seiten der Beklagten. Für den Kläger war ohne Weiteres ersichtlich, dass die Beklagten durch die Zahlung auf sein Konto eine rechtsgeschäftliche Erklärung überhaupt nicht abgeben wollten, sondern nur ihren (vermeintlichen) Pflichten aus dem ursprünglichen Mietverhältnis nachkommen wollten. Dass der Kläger irgendwelche Änderungen am Mietvertrag vornehmen wollte, ging aus seinem Schreiben nicht hervor; er ging vielmehr selbst davon aus, als Eigentümer ohne Weiteres Vermieter zu sein.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Fabian Bagusche / Tiffany Wikarek
Kündigungsfolgeschaden bei rechtsmissbräuchlicher Eigenbedarfskündigung - Teil I
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Aufsatz
Fabian Bagusche / Tiffany Wikarek
Kündigungsfolgeschaden bei rechtsmissbräuchlicher Eigenbedarfskündigung - Teil II
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Rechtsprechung
Rainer Burbulla
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.01.2023 14:20
Quelle: Justiz NRW

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