Aktuell im MietRB
Die Feststellungsklage im WEG-Prozess – praktisches Verhältnis zur Beschlussklage gem. § 44 WEG (Agatsy, MietRB 2023, 88)
§ 44 WEG regelt seit dem 1.12.2020 Beschlussklagen. Im Schwerpunkt sind dies die Anfechtungs-, Nichtigkeits- und Beschlussersetzungsklagen. Die §§ 43 ff. WEG regeln den Katalog der WEG-Streitigkeiten. Sie bilden den Schwerpunkt der Klageverfahren. Für die Prozesspraxis stellt sich die Frage, ob die Regelungen der Beschlussklagen gem. § 44 Abs. 1 S. 1 und S. 2 WEG abschließend sind oder neben der entsprechenden bzw. analogen Anwendung dieser Vorschriften auch die Leistungs- und Feststellungsklage anwendbar sind. Ebenso stellt sich die Frage, was bei Kompetenzschutzstreitigkeiten gilt. Diesen Fragen geht der Beitrag nach.
I. Überblick
II. Anwendbarkeit der Feststellungklage und Subsidiarität
1. Statthaftigkeit der Feststellungsklage in WEG Streitigkeiten
a) Statthaftigkeit der Feststellungsklage und „Sperrwirkung“ von Beschlussklagen
b) Feststellung der Nichtigkeit, des Beschlussinhalts und der Beschlussberichtigung
c) Klagebefugnis und Beklagteneigenschaft
2. Sonderfall Kompetenzschutzstreitigkeiten und Anwendbarkeit der Feststellungsklage
a) Kompetenzschutz- (Organ) streitigkeiten im WEG-Verfahren gem. §§ 43 ff. WEG
b) Verhältnis der Leistungsklage zur Feststellungsklage
3. Subsidiarität der Feststellungsklage und Vorrang der Beschlussklagen
a) Leistungsklage und Feststellungsklage bei Hausgeldsalden
b) Abschließende Regelung der Anfechtungsklage
III. Einzelne Fallgruppen in der Beratungspraxis
1. Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Organen der GdWE
2. Klage auf eine Vereinbarung
3. Klage auf ein konkretes Verwaltungshandeln
IV. Fazit
I. Überblick
Auch im WEG-Prozess existieren Fallgruppen, in denen die Feststellungsklage gem. §§ 256 Abs. 1 ZPO statthaft ist. Die Feststellungsklage dient dem Erlangen von Rechtsgewissheit dort, wo eine Durchsetzung subjektiver Rechte durch Leistungsurteil oder eine Rechtsänderung durch Gestaltungsurteil ausgeschlossen ist. Die §§ 43 ff. WEG schließen diese nicht generell aus. Die besondere Form der Zwischenfeststellungsklage dient der „klarstellenden“ Feststellung vorgreiflicher Rechtsverhältnisse. Es muss ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien „streitig“ sein, wobei der „Streit“ nicht einzelne Vorfragen oder Pflichten aus bestimmten Rechtsverhältnissen betreffen darf. In besonderen Einzelfällen stellt sich die Frage, wann § 256 Abs. 1 ZPO in allgemeiner Anwendung oder gem. § 44 Abs. 1 S. 1 WEG in entsprechender (analoger) Anwendung statthaft ist. Grundsätzlich statthaft ist die Feststellung und Bindungswirkung von Regelungen. Allgemeine Feststellungsbegehren kommen in der WEG-Prozesspraxis jedoch eher selten vor. Dies folgt aus § 44 Abs. 1 WEG entsprechend. Dennoch sind z.B. normative Ansatzpunkte in §§ 43 ff. WEG, insbesondere §§ 43 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 WEG zu berücksichtigen. Ebenfalls statthaft sind Beschlussinhaltsfeststellungen, die nicht unmittelbar in § 44 Abs. 1 WEG geregelt sind. Praktische Bedeutung haben Sachverhalte, in denen streitgegenständlich ist, die Kompetenzgrenzen u.a. auch die Befugnisse von Organen im Verhältnis zur GdWE oder der Wohnungseigentümer festzustellen. Neben Kompetenzschutzstreitigkeiten zur Feststellung der Organbefugnisse kann die Feststellung von Schadensersatzansprüchen u.a. wegen der Verletzung von Organpflichten oder Pflichten im Verhältnis zur GdWE statthaft sein. Dies gilt vor allem, wenn dem Grunde nach Schadensersatzansprüche und diese wiederum unabhängig von möglichen Beschlussfassungen festzustellen sind.
Beraterhinweis Der Berater muss das Klageziel auslegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mandant eine „Feststellung“ begehrt und sich ggf. eine Überschneidung mit einer als Hauptantrag zu erhebenden Beschlussklage gem. §§ 44 Abs. 1 S. 1 und S. 2 WEG ergibt. Beschlussklagen in Form der Anfechtungsklagen haben in der Regel Vorrang. Daraufhin folgen Sonderfälle der Feststellungsklage u.a. die Nichtigkeitsklage, die Beschlussfeststellungsklage. Dennoch ist die Anwendbarkeit der allgemeinen Feststellungsklage nicht generell versperrt. Die Statthaftigkeit hingegen entfällt jedenfalls dann, wenn das Klagebegehren mit „spezielleren“ Klageverfahren wie z.B. den Beschlussklagen aus § 44 Abs. 1 WEG oder der Leistungsklage zu verfolgen ist. Denkbar ist die prozessuale Einreichung von Hilfsanträgen, d.h. wenn hilfsweise „Feststellung“ begehrt wird. Auch hier liegt die ausschließliche Zuständigkeit gem. §§ 43 Abs. 2 WEG 23 Nr. 2 c) GVG beim sachlich zuständigen WEG-Prozessgericht.
II. Anwendbarkeit der Feststellungklage und Subsidiarität
1. Statthaftigkeit der Feststellungsklage in WEG Streitigkeiten
a) Statthaftigkeit der Feststellungsklage und „Sperrwirkung“ von Beschlussklagen
Die Feststellungsklage ist beispielsweise statthaft, wenn (...)
