Otto Schmidt Verlag

AG Charlottenburg v. 12.5.2023 - 73 C 62/22

WEG: Eigentümer dürfen nicht durch Beschluss zu Knechten des Verwalters gemacht werden

Ein Beschluss, der den Verwalter zum Herrn der Gemeinschaft macht und die Eigentümer zu Knechten, die seinen Willen auszuführen haben, ist jedenfalls rechtswidrig und auf rechtzeitige Anfechtung hin für ungültig zu erklären. Wird ein Verwaltungsbeirat grundsätzlich unentgeltlich tätig, so kann er gem. § 670 BGB nur Ersatz ihm tatsächlich entstandener Aufwendungen verlangen, die in angemessener Höhe pauschaliert werden dürfen, nicht jedoch darf ihm ein nicht zweckgebundener freier Betrag zugewandt werden.

Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Mitglied des Verwaltungsbeirats war in den Jahren 2020 und 2021 u.a. die Eigentümerin A. In der Eigentümerversammlung vom 24.11.2022 waren u.a. folgende Beschlüsse mehrheitlich gefasst worden:

- Zu TOP 6 wurde der Beirätin A. eine jährliche Aufwandsentschädigung von 1.000 € jährlich rückwirkend ab dem 1.1.2021 gewährt.

- Zu TOP 12 „Die Gemeinschaft beschließt die Abänderung der Regelungen des § 3 (4) des Verwaltervertrages.“

Regelung:

Der Verwalter ist nach vorheriger Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat berechtigt, Wartungs-, Lieferanten, Versicherungs-, Versorgungs- und Dienstleistungsverträge im Namen der Eigentümergemeinschaft zu kündigen, zu ändern, zu verlängern, zu erweitern und neu abzuschließen.“


Die Kläger haben beide Beschlüsse angefochten. Sie waren der Ansicht, dass die Aufwandsentschädigung der Beirätin A. unangemessen hoch sei, da sie nur im Ehrenamt tätig sei. Die Ermächtigung der Verwaltung in Top 12 gehe zu weit, sei zu unbestimmt und widerspreche der Kompetenzverteilung im Gesetz, wonach alle Wohnungseigentümer zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums berufen seien. Außerdem würde der Verwaltervertrag abgeändert, wonach die Verwaltung nur innerhalb vorgegebener Grenzen Aufträge auslösen dürfe.

Das AG gab den Anfechtungsklagen vollumfänglich statt.

Die Gründe:
Der Beschluss zu TOP 6 war rechtswidrig. Denn wird ein Verwaltungsbeirat, wie hier, grundsätzlich unentgeltlich tätig, so kann er gem. § 670 BGB nur Ersatz ihm tatsächlich entstandener Aufwendungen verlangen, die in angemessener Höhe pauschaliert werden dürfen, nicht jedoch darf ihm ein nicht zweckgebundener freier Betrag zugewandt werden. Da der hier bewilligte Betrag allein der Anerkennung des Engagements der Beirätin dienen sollte, war er schon deswegen rechtswidrig.

Es wurde insbesondere auch nicht auf eine entgeltliche Geschäftsbesorgung umgestellt, in dem die Beirätin im Gegenzug für das Honorar einen definierten Pflichtenkatalog übernehmen würde. Beschlüsse mit denen ohne Gegenleistung über Gemeinschaftsvermögen verfügt wird, widersprechen jedoch regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung.

Auch der Beschluss zu TOP 12 war rechtswidrig. Er gab dem Verwalter zu weitgehende Kompetenzen. Dem stand nicht entgegen, dass gem. § 27 Abs. 2 WEG in der seit 1.12.2020 geltenden Fassung die Eigentümer die Rechte des Verwalters durch Beschluss erweitern können. Sie können dadurch nämlich nicht den Grundsatz des § 18 Abs. 1 WEG seiner praktischen Bedeutung berauben, wonach die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in erster Linie der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt.

Mit der hier im Innenverhältnis erteilten Ermächtigung des Verwalters auch Verträge mit unbeschränkter Summe und undefiniertem Gegenstand mit Dienstleistern aller Art abzuschließen, wurde ihm etwa die Möglichkeit gegeben, Verträge in mehrfacher Millionenhöhe mit Baufirmen und Planern abzuschließen, die auch das Gemeinschaftseigentum erheblich umgestalten können, obwohl die Gemeinschaft diese baulichen Veränderungen nicht durch Beschluss gestattet hat und die Bausumme die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft übersteigt.

Jedenfalls würde der Begriff „Dienstleistungsverträge“ auch dies inkludieren. Der Vertrag wäre im Außenverhältnis nach § 9b Abs. 1 WEG wirksam und im Innenverhältnis könnte sich der Verwalter auf den bestandskräftigen Beschluss berufen, um sein Handeln zu legitimieren. Den Eigentümern bliebe dann kaum noch eine andere Wahl, als die Umgestaltungen hinzunehmen und die Verträge durch Genehmigung hoher Sonderumlagen zu finanzieren. Die nicht näher definierte „Abstimmung“ mit dem Beirat (offenbar nicht zwingend seine Zustimmung) vermochte daran nichts zu ändern. § 18 Abs. 1 WEG gibt dem Verwaltungsbeirat keine besonderen Rechte. Ein Beschluss, der den Verwalter zum Herrn der Gemeinschaft macht und die Eigentümer zu Knechten, die seinen Willen auszuführen haben, ist jedenfalls rechtswidrig und auf rechtzeitige Anfechtung hin für ungültig zu erklären.

Mehr zum Thema:

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Sommer/Heinemann in Jennißen (Hrsg.), Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2022

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Sommer/Heinemann in Jennißen (Hrsg.), Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2022

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Suilmann in Jennißen (Hrsg.), Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2022

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.05.2023 16:22
Quelle: Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank

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