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Zustellungsprobleme und prozessuale Weisungen an den Verwalter (Agatsy, MietRB 2023, 244)

Der Beitrag behandelt die Problemkreise prozessuale Zustellungen und prozessuale Weisungen an den Verwalter im WEG-Prozess. Im WEG-Prozess stellen sich regelmäßig Zustellungsprobleme. Auch Parteibezeichnungen können unklar sein, so dass der Adressat auszulegen ist. Es ist gesetzlich geregelt, dass die die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) i.d.R. Beklagte ist, nicht die Wohnungseigentümer. Ein klassisches Problem ist die verwalterlose GdWE. Es gibt auch den Fall, in dem der Verwalter abbestellt wurde und somit eine Lücke bei der Vertretereigenschaft entsteht. Ferner werden an den Verwalter regelmäßig Weisungen erteilt. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Weisungen lediglich intern wirken oder auch rechtliche Wirkung auf die Vertretung entfalten.

I. Problemstellung und Überblick
II. Zustellung im WEG-Prozessrecht bei prozessualen Sonderkonstellationen

1. Zustellung im Fall einer verwalterlosen WEG oder gegen die übrigen Wohnungseigentümer
a) Die Zustellung bei der verwalterlosen WEG – wirksam an einen Wohnungseigentümer?
b) Sonderfall der erforderlichen Klagezustellung an die übrigen (alle)
Wohnungseigentümer
c) Streitverkündung und selbständiges Beweisverfahren
2. Zustellung im Zwangsvollstreckungsverfahren – auch bei Ansprüchen Dritter?
a) Vollstreckung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
b) Vollstreckungszustellung bei Ansprüchen Dritter i.S.d. § 9a Abs. 4 WEG
3. Wegfall von Zustellungsadressaten – Ausscheiden, werdender Eigentümer und Insolvenz
III. Prozessuale Weisungen an den Verwalter – abweichender Regelungsumfang?
1. Abbedingung in der Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung
a) Abweichende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung
b) Anwendungsvorrang der §§ 170 ff. ZPO und der Vorschrift des § 9b Abs. 1 S. 1 WEG
2. Beschlussfassung zur Konkretisierung von Verwalterbefugnissen gem. § 27 Abs. 2 WEG
a) Abweichende Beschlussfassung § 27 Abs. 2 WEG
b) Weisungsbefugnis der Gemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss
3. Einbeziehung des Verwaltungsbeirats bei prozessualen Weisungen
IV. Fazit


I. Problemstellung und Überblick

Zustellungsprobleme stellen sich in mehrfacher Hinsicht. Dies liegt u.a. auch an der Regelung der Rechtsfähigkeit der GdWE. Dies wirkt sich auch auf Zustellungen aus. Ferner wirken die die neugeregelten Organstrukturen auf die Vorschriften der §§ 43 ff. WEG
aus. Parteien des Rechtsstreits sind i.d.R. die GdWE einerseits und auf der anderen Seite der klagende/die klagenden Wohnungseigentümer. Die GdWE ist gem. § 9a Abs. 1 WEG rechtsfähig. Sie kann klagen und im Rahmen von Beschluss- und sonstigen Klageverfahren verklagt werden. Demzufolge ist sie zentraler Zustellungsempfänger. Allerdings enthalten die Vorschriften der §§ 43 ff. WEG keine Zustellungsvorschriften. Aufgrund der Regelungslücke in der ZPO folgt ein Rückgriff auf die §§ 166 ff. ZPO, weshalb die Vorschrift des § 170 ZPO vorrangig gilt. Gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 WEG vertritt der Verwalter die GdWE nach „außen“, so dass eine Zustellung gem. § 170 Abs. 2 ZPO an ihn vorzunehmen ist (Zustellungsbevollmächtigter).

Beraterhinweis
Die Wahrnehmung der ordnungsgemäßen Verwaltung gem. § 9a Abs. 1 WEG ist von Gesetzes wegen auf die GdWE übertragen. Dazu gehört auch die Wahrnehmung prozessrechtlicher Handlungen. Der Verwalter vertritt die GdWE nach außen. Er ist i.d.R. gesetzlicher Vertreter und im Rubrum der Klageschriften bei Anfechtungsklagen, Beschlussersetzungsklagen und Feststellungs- sowie Leistungsklagen als Zustellungsvertreter zu benennen. Entsprechend seinem gesetzlichen Wirkungskreis muss er auch dafür Sorge tragen, dass die mittelbar am Prozessrisiko und den Kosten beteiligten Wohnungseigentümer Kenntnis vom WEG-Prozessverfahren und dem Verlauf erlangen. Ist die Klageerhebung unklar, weil z.B. eine Klage gegen die Eigentümer als Gemeinschaft oder gegen den Verband der Eigentümer erhoben wurde, muss der Verwalter Unklarheiten beseitigen. Der Verwalter ist verpflichtet, neben Verwaltungsentscheidungen prozessuale Maßnahmen im Interesse der Gesamtgemeinschaft umzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn besondere Verwaltungseinheiten in Form von Untergemeinschaften existieren. Auch dann bleibt i.d.R. bei Zustellungen der (Gesamt-) Verwalter zuständig.

II. Zustellung im WEG-Prozessrecht bei prozessualen Sonderkonstellationen

1. Zustellung im Fall einer verwalterlosen WEG oder gegen die übrigen Wohnungseigentümer

a) Die Zustellung bei der verwalterlosen WEG – wirksam an einen Wohnungseigentümer?

Ein Sonderfall ist die Zustellung von bestimmenden Prozessschriftstücken im Klageverfahren in Form von Klageschriften, richterlichen Verfügungen und Klageerwiderungen an die verwalterlose WEG. Auch in diesem Fall muss die Zustellung gewährleistet bleiben. Der Verwalter ist grds. nicht Partei des Rechtsstreits, sondern gesetzlicher Vertreter gem. § 9b Abs. 1 S. 1 WEG. Verwalterlos ist eine GdWE, wenn der Verwalter abbestellt wurde oder nicht zustellungsbefugt ist. Einen Notverwalter regelt das WEG nicht. Diese Regelung wurde bereits mit der letzten WEG-Novelle abgeschafft. Zudem besteht ein systematisches Zusammenspiel zwischen den Vorschriften des § 170 Abs. 3 ZPO und § 44 Abs. 3 ZPO.

Beispiel: V wird durch eine Beschlussfassung der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 1.5.2023 und mit sofortiger Wirkung abbestellt. Zugleich wird der Verwaltervertrag gekündigt. Nach dem Wortlaut und dem Regelungszweck des §§ 26 WEG sowie § 9b Abs. 1 S. 2 WEG besteht dessen Zustellungs-/Empfangsbefugnis nur so lange, wie der Verwalter sein Amt innehat. Davon unabhängig ist der Verwaltervertrag zu bewerten. Seine Verpflichtungen bestehen im Verhältnis zur GdWE. Nach der hier vertretenen Auffassung folgt aus der Vorschrift des § 170 Abs. 3 ZPO keine erweiterte Auslegung dahingehend, dass eine Zustellung an alle Wohnungseigentümer zu erfolgen hat. Ein Rückschluss darauf erschließt sich weder aus dem Regelungszweck noch aus dem Wortlaut des § 170 Abs. 3 ZPO. Für eine teleologische Reduktion des § 170 Abs. 3 ZPO dahingehend, dass eine Gesamtzustellung nur gemeinschaftlich gültig sein soll, besteht kein Anlass, so dass unabhängig von der Gesamtvertretung die Zustellung an einen Wohnungseigentümer genügt.

Beraterhinweis
Nach zutreffender Auffassung muss für diesen Fall kein Prozesspfleger bestellt werden. Diese Auffassung wurde durch die h.M., der sich auch der BGH angeschlossen hat, überholt. Ein Wohnungseigentümer kann mit Wirkung für die anderen Wohnungseigentümer als Außenvertreter im Prozess ermächtigt werden. Insbesondere im Fall einer „verwalterlosen Gemeinschaft“ erscheint es...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.08.2023 14:53
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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