Otto Schmidt Verlag

BGH v. 15.6.2021 - V ZR 41/19

WEG: Geltendmachung von Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen sowie Ausgleich in Geld

Nach der zum 1.12.2020 in Kraft getretenen Neufassung des WEG kann ein Wohnungseigentümer Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gem. § 1004 BGB und § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG, die auf die Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums gerichtet sind, weiterhin auch dann selbst geltend machen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist; die alleinige Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gem. § 9a Abs. 2 WEG bezieht sich auf die Abwehr von Störungen des Gemeinschaftseigentums.

Der Sachverhalt:
Die Tochter des Klägers und der Beklagte sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Dem Kläger ist der Nießbrauch an dem Wohnungseigentum seiner Tochter eingeräumt. Nach der Teilungserklärung aus dem Jahr 1973 soll das Grundstück mit einem Mehrfamilienhaus sowie einem Einzelhaus bebaut werden. In der Teilungserklärung heißt es, dass der zu der Einheit Nr. 10 gehörende Miteigentumsanteil verbunden sei "mit dem Sondereigentum an den Räumen im Einzelhaus, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad mit WC, Diele, Terrasse, mit einer Wohnfläche von ca. 90 qm sowie vier Hobby- bzw. Kellerräumen im Keller des Einzelhauses".

Ausweislich der dem Aufteilungsplan beigefügten Bauzeichnung darf das Einzelhaus (Einheit Nr. 10) eine Höhe von 56,40 Metern über N.N. nicht überschreiten. Gebaut wurde zunächst nur das Mehrfamilienhaus. Nachdem der Beklagte die Einheit Nr. 10 erworben hatte, errichtete er im Jahr 2012 das Einzelhaus auf der Grundlage einer Baugenehmigung; ein zuvor angestrebtes Bauvorhaben seines Rechtsvorgängers war an der fehlenden Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer gescheitert.

Gestützt auf den Vortrag, das nunmehr errichtete Einzelhaus widerspreche in Geschosszahl und Gebäudehöhe den Vorgaben der Teilungserklärung und des Aufteilungsplans, und infolgedessen sei der Ausblick aus der Wohnung seiner Tochter auf die Elbe verbaut worden, verlangt der Kläger in Prozessstandschaft für seine Tochter Schadensersatz in Höhe der behaupteten Verkehrswertminderung von 55.000 €.

AG und LG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Zulässigkeit der Klage setzt voraus, dass die Wohnungseigentümerin, deren Rechte der Kläger als Prozessstandschafter wahrnimmt, ihrerseits prozessführungsbefugt wäre. Daran fehlt es im Hinblick auf Zahlungsansprüche, die aus einer planwidrigen Errichtung des Einzelhauses hergeleitet werden, weil nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer solche Rechte ausüben könnte.

Das gilt zunächst, soweit sich der Kläger auf die Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums stützt, die durch die planwidrige Errichtung des Einzelhauses auf dem gemeinschaftlichen Grundstück durch den Beklagten entstanden sein soll. Auch aus einer Beeinträchtigung des Sondereigentums kann die Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümerin, auf die sich der Kläger als gewillkürter Prozessstandschafter stützen könnte, nicht hergeleitet werden.

Allerdings kann ein Wohnungseigentümer insoweit prozessführungsbefugt sein, als seine Klage auf eine Störung im räumlichen Bereich des Sondereigentums gestützt wird. Ansprüche dieser Art konnte der einzelne Wohnungseigentümer nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 1.12.2020 geltenden Fassung selbst geltend machen, und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer konnte sie nicht durch Beschluss an sich ziehen. Nach der zum 1.12.2020 in Kraft getretenen Neufassung des WEG kann ein Wohnungseigentümer Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gem. § 1004 und § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG BGB, die auf die Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums gerichtet sind, weiterhin auch dann selbst geltend machen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist; die alleinige Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gem. § 9a Abs. 2 WEG bezieht sich auf die Abwehr von Störungen des Gemeinschaftseigentums.

Daneben kann ein Wohnungseigentümer unter den Voraussetzungen von § 14 Abs. 3 WEG Ausgleich in Geld verlangen. Ein solcher Ausgleichsanspruch ist allerdings nicht Gegenstand der Klage, denn er setzt voraus, dass eine unzumutbare Einwirkung nicht abgewehrt werden kann, sondern geduldet werden muss; der Kläger nimmt die Störung jedoch bewusst hin und verlangt daher Schadensersatz statt der Beseitigung gem. den §§ 280, 281 BGB.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.07.2021 14:31
Quelle: BGH online

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