Otto Schmidt Verlag

Aktuell im MietRB

Praktische Fallgruppen des Eilrechtsschutzes nach neuem Recht (Agatsy, MietRB 2022, 59)

Auch im neuen WEG-Recht ist der Eilrechtsschutz von praktischer Bedeutung. Im berechtigten Einzelfall muss eine Regelung „Vollziehung“ zügig herbeigeführt werden. Dies gilt im Verhältnis der Sondereigentümer (Wohnung- und Teileigentümer) zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 9a Abs. 1 WEG) und die Neuordnung der „Organstrukturen“ sind dabei ebenso zu berücksichtigen.


I. Systematischer Überblick

II. Arrest und einstweilige Verfügung im WEG-Prozess

1. Arrest zur Sicherung der Zwangsvollstreckung

2. Einstweilige Verfügung zur vorläufigen Regelung von Rechtsverhältnissen

a) Parteien des Verfahrens

b) Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund

3. Die einstweilige Verfügung zur „vorläufigen“ Regelung von Rechtsverhältnissen

a) Sicherungsverfügung

b) Regelungsverfügung

c) Leistungsverfügung

III. Aktuelle Praxisfälle zum einstweiligen Rechtsschutz

1. Fragen zu „Organstreitigkeiten“, Eigentümerversammlung und zur Beschlusssuspendierung

a) Fallgruppe der „fehlerhaften“ Wahrnehmung von Organpflichten und „Kompetenzschutz“

b) Problemkreis „2 G-Regelung“ und rechtswidriger Ausschluss von Wohnungseigentümern

c) Suspendierung und Verhinderung der Durchsetzung von Beschlussvollziehungen

2. Erwirken eines Baustopps und Folgenbeseitigungsansprüche

a) Baustopp per einstweiliger Verfügung

b) Beseitigungs- und Störungsunterlassung im einstweiligen Rechtsschutz

IV. Fazit


I. Systematischer Überblick

Im WEG-Verfahrensrecht ist der Eilrechtsschutz nicht gesondert geregelt. Demnach ist auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 915 ff. ZPO sowie §§ 43 und44 WEG zurückzugreifen. Es gelten auch im WEG-Prozessrecht die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungs- oder einer Leistungsverfügung.Dabei ist grundlegend neu, dass der WEG-Prozess als „Verbandsprozess“ ausgestaltet ist. Problematisch ist, ob es zumindest „teilweise“ eine Vorgreiflichkeit geben kann. Dann muss ein „Zuwarten“ unzumutbar sein. Eine einstweilige Regelung darf nicht dazu führen, dass z.B. die Hauptsache einer Beschlussanfechtungsklage (§ 44 Abs. 1 S. 1 Var. 1 WEG) vorweggenommen und die Durchführung des Beschlussklageverfahrens „unterlaufen“ wird. Für die Zuständigkeit (örtliche/sachliche) gelten dieselben Grundsätze wie in einem normalen WEG-Streitverfahren der Hauptsache, § 43 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 WEG. Über den Inhalt entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen, § 938 Abs. 1 ZPO.

Beispiele: Einstweilige Suspendierung von Beschlussumsetzungen, Durchsetzung von Beseitigungs- und/oder Unterlassungsansprüchen, einstweilige Untersagung der Verwalterbestellung oder Versorgungssperren.

Auch im WEG-Recht gelten die Vorschriften der ZPO und somit die dortigen „Prozessinstrumente“ des einstweiligen Rechtsschutzes u.a. Arrest und einstweilige Verfügung in §§ 916 ff. ZPO.6 Den häufigsten Anwendungsbereich in WEG-Verfahren findet die einstweilige Verfügung in Form der Regelungs- und Leistungsverfügung. § 44 Abs. 1 S. 2 WEG „ermächtigt“ das Gericht allerdings nicht ohne weiteres zeitgleich zum Hauptsacheverfahren vorläufig sichernde Maßnahmen vorzunehmen. Dies war bereits unter § 21 Abs. 8 WEG a.F. unzulässig. Daraus folgt auch nach der Neuregelung des § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG, dass es zum einen keine vorschnelle Annahme einer „Ermessensreduktion“ geben kann und demnach einstweilige Regelungen ohne kollektive Entscheidungsbildung gerichtlich ersetzt werden. Allerdings kann eine „einstweilige“ Regelung erforderlich sein, wenn der Verwalter einen offensichtlich unwirksamen Beschluss vollziehen will.

Beraterhinweis Der Berater soll darauf hinweisen, dass der kollektiven Entscheidungsbildung im Rahmen der Wohnungseigentümerversammlung Vorrang einzuräumen ist. Ein „Handlungsauftrag“ an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder eine gerichtliche Ersetzung der inhaltlichen Vorbefassung kann es nach zutreffender Auffassung nicht geben.

II. Arrest und einstweilige Verfügung im WEG-Prozess

Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass von Arrest und einstweiliger Verfügung sind ähnlich. Gleichwohl sind bei der Bewertung dieser (Eil-)Rechtsbehelfe einige prozessuale Besonderheiten zu berücksichtigen. Während mit dem „seltenen“ Arrest die Zwangsvollstreckung gesichert werden soll, wird mit der häufigeren einstweiligen Verfügung ein streitiges Rechtsverhältnis „vorläufig“ geregelt.

1. Arrest zur Sicherung der Zwangsvollstreckung

Der Arrest gem. §§ 916 ff. ZPO ist auch im WEG-Prozess selten. Der Arrest ist eine „Variante“ des einstweiligen Rechtsschutzes, mit der Vermögensverschiebungen verhindert werden sollen.

Beispiel: Ein Wohnungseigentümer befindet sich mit Hausgeldzahlungen und der Sonderumlage in Verzug. Der Arrest (§ 916 Abs. 1 ZPO) bildet nicht die Grundlage für einen späteren vollstreckbaren oder „vollziehbaren“ Titel zur Befriedigung des Gläubigers. Deshalb liegt kein Arrestgrund vor, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Hausgeldzahlungen oder Sonderumlagen wartet und dadurch die Gefahr besteht, eigene Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können.

Beraterhinweis Der Verwalter ist darauf hinzuweisen, dass die bloße „Befürchtung“ eines Forderungsausfalls – selbst in nicht unerheblicher Höhe – nicht für den Erlass eines Arrests ausreicht. „Vermögensverschiebungen“ können in den seltensten Fällen glaubhaft gemacht werden. Allerdings kann in solch einem Fall (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.02.2022 15:21
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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