Otto Schmidt Verlag

BGH v. 28.1.2022 - V ZR 86/21

WEG: Rechtsprechungsänderung zum Unterlassungsverlangen einer zweckwidrigen Nutzung

Der einzelne Wohnungseigentümer kann nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen. Entsprechende Unterlassungsansprüche können nunmehr allein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.

Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder einer aus fünf Einheiten bestehenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Klägerin ist Eigentümerin der im zweiten Obergeschoss der Anlage gelegenen Wohnung Nr. 3. Der Beklagten gehört die Erdgeschosswohnung mit der Nr. 1. Durch Nachtragsurkunde aus September 1986 wurde die ursprüngliche Teilungserklärung hinsichtlich der Kellerräume verändert. So wurden der Wohnung Nr. 1 vier Kellerräume zugewiesen. Nach § 3 b der Urkunde sind die Wohnungseigentümer berechtigt, die „in ihrem Sondereigentum und Sondernutzungsrecht stehenden Kellerräume umzubauen und zu jeglichen Zwecken zu nutzen, ohne dass hierdurch eine über das übliche Maß hinausgehende Geräuschbelästigung erfolgen darf“.

Die Beklagte plante, die ihrer Wohnung zugewiesenen Kellerräume umzubauen; u.a. sollte ein Gästezimmer mit Zugang zu einer Terrasse entstehen. Dies führte in der Folge zu einem von der Bauaufsichtsbehörde verfügten Baustopp und einer einstweiligen Verfügung des AG, nach der die Beklagte Durchbruchmaßnahmen vom Keller in ihre Wohnung sowie Fundament- und Erdarbeiten im Keller zu unterlassen hatte. Hintergrund dieser Erdarbeiten war die Absicht, den Kellerraum mit Ausgang zum Garten 25 cm tiefer zu legen, damit dieser die für Wohnräume erforderliche Höhe aufweist. Die Umbauarbeiten waren Thema auf mehreren Eigentümerversammlungen, ohne dass eine Einigung erzielt wurde.

Mit der Klage beantragt die Klägerin die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft über die im Kellergeschoss vorgenommenen baulichen Veränderungen zu erteilen, ihr mit einem Sachverständigen den Zutritt zu den Kellerräumen zwecks Inaugenscheinnahme der baulichen Veränderungen zu gewähren, den Deckendurchbruch zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand des Fußbodenaufbaus in den Kellerräumen wiederherzustellen sowie die Nutzung der Kellerräume als Wohnung zu unterlassen.

Das AG hat den Klageanträgen zu 1, 2 und 4 in vollem Umfang stattgegeben. Hinsichtlich des Antrags zu 3 hat es die Beklagte zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Fußbodenaufbaus in den Kellerräumen verurteilt, die Klage aber im Hinblick auf die Beseitigung des Deckendurchbruchs abgewiesen. Die Beklagte blieb in den weiteren Instanzen erfolglos.

Gründe:
Für einen Anspruch aus § 1004 BGB wegen der behaupteten Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums fehlt der Klägerin die Prozessführungsbefugnis. Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht bereits unmittelbar aus § 9a Abs. 2 WEG. Für die bereits vor dem 1.12.2020 bei Gericht anhängigen Verfahren besteht die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der GdWE zur Kennt-nis gebracht wird. Eine entsprechende Äußerung des vertretungsberechtigten Organs lag im Zeitpunkt der letzten mündlichen Ver-handlung vor dem Berufungsgericht nicht vor; die Klägerin blieb deshalb weiter prozessführungsbefugt.

Die Sachlage hat sich aber im Revisionsverfahren geändert. Der nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG vertretungsberechtigte Verwalter hat durch Schreiben aus August 2021 mitgeteilt, dass die GdWE der Klägerin untersagt, die hier im Prozess anhängigen Ansprüche gerichtlich geltend zu machen; insoweit hat er auf einen entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer aus Juli 2021 verwiesen. Aufgrund dieser eindeutigen Erklärung des Verwalters ist die zunächst weiter fortbestehende Prozessführungsbefugnis der Klägerin ebenso wie ihre Aktivlegitimation – entfallen. Auch für einen Anspruch aus § 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten Beeinträchtigung ihres Sondereigentums ist die Klägerin nicht prozessführungsbefugt.

Keinen Erfolg hat die Revision schließlich auch insoweit, als sie sich gegen die Abweisung des Klageantrags zu 4 wendet, mit der die Klägerin von der Beklagten die Unterlassung der Wohnnutzung beansprucht. Nutzte ein Eigentümer seine ihm als Teileigentum zugewiesenen Räume zu Wohnzwecken oder umgekehrt ihm als Wohnungseigentum zugewiesene Räume zu anderen Zwecken, konnte zwar nach § 15 Abs. 3 WEG aF jeder Wohnungseigentümer von ihm grundsätzlich Unterlassung verlangen. Durch die WEG-Reform hat sich diese Rechtslage allerdings geändert. Der einzelne Wohnungseigentümer kann nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen. Entsprechende Unterlassungsansprüche können nunmehr allein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden (so auch bereits BGH v. 16.7.2021 - V ZR 284/19).

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.03.2022 13:15
Quelle: BGH online

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