Otto Schmidt Verlag

BGH v. 28.9.2022 - VIII ZR 300/21

Mietpreisbremse findet auf Mieterhöhungsvereinbarung während eines laufenden Mietverhältnisses keine Anwendung

Durch die Zustimmung eines Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters kommt in der Regel eine Vereinbarung über die Erhöhung der Miete auf die neue Miethöhe zustande, die den Rechtsgrund für die daraufhin erbrachten erhöhten Mietzahlungen darstellt. Die Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) finden auf eine Mieterhöhungsvereinbarung während eines laufenden Mietverhältnisses keine Anwendung.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die über eine Registrierung gem. § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt. Sie machte aus abgetretenem Recht der Mieter einer Wohnung der beklagten Vermieterin Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB i.V.m. der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.4.2015, in Kraft getreten am 1.6.2015) geltend. Zwischen der Beklagten und den Mietern bestand im Zeitraum vom 16.4.2016 bis 31.3.2020 ein Mietverhältnis über eine 77,66 qm große Wohnung, die in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete betrug zunächst 610,65 € (7,86 €/qm). Im Juli 2017 verlangte die Beklagte von den Mietern die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete um 63,43 € auf sodann 674,08 € (8,68 €/qm). Diesem Mieterhöhungsverlangen stimmten die Mieter im September 2017 zu.

Im Januar 2019 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten gem. § 556g Abs. 2 BGB in der bis zum 31.12.2018 geltenden Fassung (aF) einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB). Sie verlangte mit dem Schreiben unter Fristsetzung Auskunft u.a. über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete, über vorangegangene Mieterhöhungen und über durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen. Ferner begehrte sie die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Kaution sowie die Abgabe der Erklärung, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Im vorliegenden Fall war eine Anwendbarkeit der Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) und damit eine Auskunftsanspruch nach § 556g Abs. 3, § 398 BGB sowie einen Rückzahlungsanspruch aus § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB, § 556g Abs. 2 BGB aF, § 398 BGB zu verneinen, weil die beanstandete Miete nicht auf der bei Mietbeginn geschlossenen Vereinbarung, sondern auf einer nachträglichen, einvernehmlich vereinbarten Mieterhöhung beruhte, für die die Regelungen der §§ 556d ff. BGB nicht gelten.

Durch die Zustimmung eines Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters kommt in der Regel eine Vereinbarung über die Erhöhung der Miete auf die neue Miethöhe zustande, die den Rechtsgrund für die daraufhin erbrachten erhöhten Mietzahlungen darstellt. Die Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) finden auf eine Mieterhöhungsvereinbarung während eines laufenden Mietverhältnisses keine Anwendung. Eine solche Deutung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Mieterhöhungsvereinbarung sowie der Interessenlage beider Parteien bei der Erhöhung einer Miete. Denn diese ist darauf gerichtet, den bestehenden Mietvertrag für die Zukunft hinsichtlich der Miethöhe einvernehmlich zu ändern. Entscheidend für die weitere vertragliche Beziehung ist nicht, um welchen Betrag die ursprüngliche Miete erhöht wurde, sondern wie hoch die künftig zu bezahlende Miete ist.

Dieser Auslegung steht nicht entgegengehalten, dass die Mieter mit der Zustimmung zu einer Mieterhöhung nicht auf ihre Rechte aus einem etwaigen Verstoß der bisherigen Miete gegen Regelungen über die "Mietpreisbremse" (§§ 556d ff. BGB) verzichten wollten. Dabei wird übersehen, dass nicht der subjektive Wille der Mieter maßgeblich ist, sondern das Verständnis eines objektiven Erklärungsempfängers. Das Mieterhöhungsverlangen eines Vermieters ist in der Regel nach dem objektiven Empfängerhorizont so zu verstehen, dass mit der angestrebten Mieterhöhungsvereinbarung der erhöhte Betrag als künftig zu zahlende Miete festgelegt werden soll. Vor diesem Hintergrund kann der vorbehaltslosen Zustimmungserklärung eines Mieters zu einer erhöhten Miete nach objektivem Empfängerhorizont regelmäßig nicht entnommen werden, dass er sich etwaige Rechte wegen einer eventuellen Unzulässigkeit der bisherigen Miete vorbehalten und deshalb nicht der neuen Gesamtmiete, sondern nur dem Erhöhungsbetrag an sich zustimmen wollte. Vielmehr ist eine solche Zustimmung aus Sicht eines objektiven Empfängers dahin zu verstehen, dass der Mieter die erhöhte Miete künftig als vertragsgemäß anerkennt.

Zuletzt war auch eine unmittelbare oder analoge Anwendung der Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) auf die nachträgliche Mieterhöhungsvereinbarung abzulehnen. Angesichts des eindeutigen gesetzgeberischen Willens, wonach die Vorschriften nur für Vereinbarungen über die Miethöhe bei Vertragsbeginn und gerade nicht für Mieterhöhungen in einem laufenden Mietverhältnis gelten sollen, fehlt es bereits an einer für eine Analogiebildung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

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Aufsatz
Hans Reinold Horst
Mietspiegel-Reform
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.11.2022 11:55
Quelle: BGH online

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