Otto Schmidt Verlag

Aktuell im MietRB

Ein Fremdkörper im Verwaltungsbeirat (Köhler, MietRB 2023, 21)

Die Neubearbeitung des Verwaltungsbeirats-Teils in der 5. Auflage des Anwalts-Handbuches Wohnungseigentumsrecht hat bei der Beiratsbestellung nicht nur wohnungseigentumsrechtliche, sondern auch datenschutzrechtliche Fragen aufgeworfen. Sie knüpfen an die Bestellung gemeinschaftsfremder Personen in den Verwaltungsbeirat an und bieten Gelegenheit für eine Betrachtung wohnungseigentumsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Brennpunkte. In der bisher veröffentlichten Literatur sind zum Thema „gemeinschaftsfremde Personen im Verwaltungsbeirat“ keine datenschutzrechtlichen Erwägungen zu finden; offensichtlich ist das Thema noch nicht in der „WEG-Gemeinde“ angekommen.


I. Die Eingangsfrage

II. Die Neuregelung des § 29 WEG – eine Fokussierung auf die „Eigentümer-Eigenschaft“

III. „Eigentümer-Eigenschaft“ und der neue Sonderfall

IV. Das Treueverhältnis der Verwaltungsbeiratsmitglieder

V. Die Kernfragen – Bestellung Gemeinschaftsfremder mit oder ohne GO-Regelung

VI. Fehlendes Problembewusstsein in der Literatur

VII. Die „DSGVO-Nagelprobe“

VIII. Die DSGVO und die Verarbeitung personenbezogener Daten

IX. VBR-Aufgaben und DSGVO

X. VBR-Überwachungsfunktion und DSGVO

XI. Die „Verwendung“ (= „Verarbeitung“) von Daten durch den VBR

XII. Zulässigkeit der „Fremd“-Verarbeitung nach DSGVO

XIII. Einwilligung durch Regelung in Gemeinschaftsordnung?

XIV. Rechtmäßige Verarbeitung durch Vertragserfüllung?

XV. Einwilligung in Datenverarbeitung durch Beschluss?

XVI. Bestandskraft eines gefassten Bestellungsbeschlusses

XVII. Die Ergebnisse aus datenschutzrechtlicher Sicht


I. Die Eingangsfrage

Überlegt man, wer von einer Eigentümerversammlung in den Verwaltungsbeirat berufen werden kann, stößt man schnell auf die kontrovers diskutierte Frage, ob auch gemeinschaftsfremde Personen berufen werden dürfen.

II. Die Neuregelung des § 29 WEG – eine Fokussierung auf die „Eigentümer-Eigenschaft

Für eine Bewertung der Pro- und Contra-Positionen ist von dem seit dem 1.12.2020 neu gestalteten § 29 WEG auszugehen. Es zeigt sich dort für den Verwaltungsbeirat eine etwas verstärkte Fokussierung auf die Eigenschaft „Wohnungseigentümer“. § 29 Abs. 1 S. 1 WEG  lautet seit dem 1.12.2020 nämlich: „ Wohnungseigentümer können durch Beschluss zum Mitglied des Verwaltungsbeirats bestellt werden.“ § 29 Abs. 1 WEG in der alten Fassung hatte lediglich eine Formulierung verwendet, die sich auf die Zusammensetzung des Beirats bezog: „Die Wohnungseigentümer können durch Stimmenmehrheit die Bestellung eines Verwaltungsbeirats beschließen. Der Verwaltungsbeirat besteht aus einem Wohnungseigentümer als Vorsitzenden und zwei weiteren Wohnungseigentümern als Beisitzern.“

Die Gesetzgebungsgeschichte zum neuen Wohnungseigentumsgesetz gibt Anhaltspunkte für eine Auslegung, denn es gilt die Annahme, dass der Gesetzgeber die Diskussionsbeiträge im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung zu Kenntnis genommen hat. Die vor der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes berufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe hielt es nicht für gerechtfertigt, den Verwaltungsbeirat durch Beschluss für Dritte zu öffnen, weil eine solche Öffnung dazu führen würde, Dritte umfassend über die Angelegenheiten in der Gemeinschaft zu informieren. Dagegen gab es aus der Wohnungseigentümer-Praxis die deutliche Anregung, eine gesetzliche Regelung einzuführen, wonach auch gemeinschaftsfremde Dritte in den Verwaltungsbeirat entsandt werden können. Diese Anregung hat der Gesetzgeber bei der Reform nicht aufgegriffen. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung und in der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz finden sich zu der Frage, ob außenstehende Personen zu Mitgliedern des Verwaltungsbeirats bestellt werden dürfen, keinerlei Äußerungen.

Der Gesetzgebungsverlauf und die Gestaltung des § 29 WEG  sind für mich trotz der wenigen Anhaltspunkte deutliche Hinweise, dass es sich bei der Neuformulierung des § 29 WEG um eine programmatisch zu verstehende Anordnung handelt, nur Personen mit Eigentümer-Eigenschaft in den Verwaltungsbeirat zu bestellen und diese Eigenschaft die gesetzliche Voraussetzung für eine Amtsausübung sein soll.

III. „Eigentümer-Eigenschaft“ und der neue Sonderfall

Die Eigentümer-Eigenschaft ist aufgrund der Neugestaltung des Wohnungseigentumsgesetzes nicht allein mit der Eigentumseintragung im Grundbuch (Abteilung I) oder mit dem Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren oder mit dem Erbfall (§ 922 BGB) verbunden, sondern die Eigentümer-Eigenschaft wird innergemeinschaftlich auch mit dem Vorliegen der in § 8 Abs. 3 WEG genannten Voraussetzungen fingiert, weshalb eine Amtsübernahme durch diesen Personenkreis problemlos erfolgen kann.

IV. Das Treueverhältnis der Verwaltungsbeiratsmitglieder

Verwaltungsbeiratsmitglieder werden bei ihren gesetzlichen Aufgaben (Prüfung der Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen, Abgabe von Stellungnahmen hierzu sowie Überwachung der Verwaltung) im Interesse und für Zwecke des Verbandes (Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) tätig und müssen dem Verband gegenüber Treuepflichten beachten Eine unmittelbare Anspruchs- und Pflichtenbeziehung zwischen dem Gremium Verwaltungsbeirat oder den einzelnen Beiratsmitgliedern einerseits und den Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft andererseits besteht nicht. Die Pflichten des Verwaltungsbeirats und damit auch die Treuepflichten bestehen gegenüber dem Verband – aber die Mitglieder des Verwaltungsbeirats haben bei der Erfüllung ihrer Pflichten stets zu berücksichtigen, dass der Verband seinerseits wiederum gegenüber den einzelnen Eigentümern/Eigentümerinnen Treuepflichten hat, denn der Verband ist Träger der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums (§ 18 Abs. 1 WEG) und hat die hieraus resultierenden Rechte und Pflichten wahrzunehmen (§ 9a Abs. 2 WEG). Diese Treuepflichten des Verbandes haben also auch die Beiratsmitglieder zu beachten.

V. Die Kernfragen – Bestellung Gemeinschaftsfremder mit oder ohne GO-Regelung

Die bisherigen Positionen bei der Kernfrage, ob eine gemeinschaftsfremde Person in den Verwaltungsbeirat gewählt (bestellt) werden darf, offenbart eine Entscheidung des AG Hamburg-St. Georg aus dem Jahr 2021, die noch zum alten Wohnungseigentumsrecht erging. Angefochten war ein Beschluss über die Bestellung eines Verwaltungsbeirats aus drei Personen, wovon eine Person „nur“ der Ehemann einer Eigentümerin war. Das AG hob den Beschluss über die Bestellung des Verwaltungsbeirats insgesamt auf und führte aus, (...)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.01.2023 15:06
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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