Otto Schmidt Verlag

AG Köln v. 17.1.2023 - 215 C 58/22

WEG: Verlustgeschäfte gehören zum Geschäftsleben eines Verwalters

Es gehört zum Geschäftsleben von WEG-Verwaltern gute und schlechte Geschäfte zu machen. Dass die Verwaltung in zwei aufeinander folgenden Jahren ein Verlustgeschäft sein mag, liegt im unternehmerischen Risiko; ebenso wird sie andere Verwaltungen innehaben, bei denen der Aufwand geringer ist als kalkuliert.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Verwalterin der Beklagten war mit Beschluss vom 2.12.2021 zum 1.1.2022 für zwei Jahre bestellt worden. Das Vertragsmuster sieht zwei Preisspalten vor, wodurch festgelegt werden kann, ob eine Verwalterleistung von der Grundvergütung erfasst, oder aber besonders zu vergüten sein soll. Für Gebäude-Versicherungsschäden wurde ohne Einschränkung vereinbart, dass deren Bearbeitung von der Festvergütung umfasst sein soll.

Bis zur Eigentümerversammlung am 27.7.2022 traten im Jahr 2022 insgesamt 20 Versicherungsschäden auf. Zudem gab es Versicherungsfälle aus den Vorjahren, die von der Vorverwaltung noch nicht abgewickelt worden waren. Die Bearbeitung führte bei der Verwalterin zu einem ganz erheblichen Aufwand. Demnach sei die Verwaltung des Objekts für sie nicht mehr rentabel gewesen. Weder die Schäden noch die Schadensneigung des Gebäudes war dem Verwaltungsbeirat bei den Vertragsverhandlungen mit der Verwalterin bekannt; diese wurde hierüber entsprechend auch nicht informiert.

In der Eigentümerversammlung wurde zum Tagesordnungspunkt 8 beschlossen, dass ergänzend zum geschlossenen Verwaltervertrag, für die Bearbeitung von Versicherungsschäden eine Sondergebühr i.H.v. 300 € je Versicherungsschaden an die Verwalterin gezahlt wird. Jedoch sollten pro Jahr der Verwaltungstätigkeit sechs Versicherungsschäden bereits mit der lfd. Verwaltergebühr abgegolten sein. Die Veränderung wurde rückwirkend für alle entsprechenden Fälle ab 2022 und für zeitlich davorliegende Fälle vereinbart, die durch die Verwaltung noch zu bearbeiten sind bzw. bereits bearbeitet wurden.

Der Kläger war der Ansicht, der angefochtene Beschluss widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Es sei in einem so großen Objekt wie dem der Beklagten wahrscheinlich, dass eine große Anzahl von Versicherungsschäden auftrete. Es gehe zulasten der Verwalterin, wenn diese sich verkalkuliere.

Das AG hat der gegen den Beschluss gerichteten Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Der auf der Eigentümerversammlung der Beklagten vom 27.7.2022 zu TOP 08 gefasste Beschluss ist unwirksam.

Die Beklagte hat keine besonderen Gründe vorgetragen, die ausnahmsweise eine nachträgliche Erhöhung der Vergütung ihrer Verwalterin rechtfertigen würden. Dass diese auf Grundlage der beim Verwaltungsbeirat vorhandenen – unvollständigen bzw. unzutreffenden – Informationen zu den Versicherungsschäden ihr Angebot ungünstig kalkuliert hatte, genügte insoweit nach dem Dafürhalten des Gerichts nicht. Es gehört nämlich zum Geschäftsleben – die Verwalterin der Beklagten ist eine Handelsgesellschaft –, gute und schlechte Geschäfte zu machen. Dass die Verwaltung der Beklagten für die Verwalterin jedenfalls im Jahr 2022 und ggfs. auch im Jahr 2023 ein Verlustgeschäft sein mag, lag in ihrem unternehmerischen Risiko; ebenso wird sie andere Verwaltungen innehaben, bei denen der Aufwand geringer ist als kalkuliert worden war. Dies mag sich nach einer etwaigen Neubestellung und Vertragsverlängerung auch wieder ändern.

Bei der Beurteilung war zu berücksichtigen, dass es der Verwalterin der Beklagten möglich gewesen wäre, sich gegen das vorhandene Kalkulationsrisiko abzusichern, indem sie die nachträglich beschlossene Regelung bereits in den Vertrag aufgenommen hätte, was sich bei dem verwendeten Muster auch leicht und transparent hätte bewerkstelligen lassen. Es ist auch nicht vorgetragen worden oder sonst ersichtlich gewesen, dass die Verwalterin ohne die erhöhte Vergütung die Verwaltung niedergelegt – und sich dann unter Umständen schadensersatzpflichtig gemacht – hätte, oder aber zu einer Fortsetzung der Verwaltung nach Ablauf des derzeitigen Bestellungszeitraums nicht bereit wäre. Insoweit konnte dahinstehen, ob dies ausreichende Gründe für eine abweichende Beurteilung gewesen wären.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.02.2023 14:21
Quelle: Justiz NRW

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