Otto Schmidt Verlag

LG Trier v. 11.1.2023 - 5 O 256/22

Streit um Miete für Kfz-Zulassungsstelle im Zuge der Corona-Pandemie

Statistische Werte, die der Vermieter über die Anzahl der in den Vorjahren in der Kfz-Zulassungsstelle bearbeiteten Verwaltungsvorgänge bekanntgegeben hatte, können zwar zur Geschäftsgrundlage des Mietvertrags gehören. Gibt es jedoch naheliegende Gründe für den ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolg des Mieters, die seinem unternehmerischen Risiko zuzuordnen sind (hier: Insbesondere der zunehmende Wettbewerb durch Unternehmer, die vergleichbare Leistungen im Internet anbieten), so kann ihm das Festhalten an der Miete in unverminderter Höhe zugemutet werden.

Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt eine Außenstelle der Kfz-Zulassungsstelle. Er hatte im März 2018 die „Vermietung von in dem Dienstgebäude gelegenen Räumen zur Herstellung und zum Verkauf von Kennzeichenschildern nach der StVZO und sonstigen Schildern“ ausgeschrieben. Darin teilt der Kläger in den „Bedingungen für die Vermietung von Räumen“ mit, dass im Jahr 2016 in der Kfz-Zulassungsstelle 14.376 Zulassungsvorgänge stattfanden. Hiervon war etwa die Hälfte für die Schilderstelle relevant. 2017 wurden 15.211 Zulassungsvorgänge durchgeführt, hiervon war etwa die Hälfte für die Schilderstelle relevant. Aus diesen Zahlen könnten jedoch keine Garantien abgegeben oder Folgerungen für die Zukunft gezogenen werden. Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen waren auch ergänzende Informationen zu den Bedingungen für die Vermietung.

Im April 2018 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Mietvertrag. Danach betrug die monatlich im Voraus zu zahlende Miete 3.750 € für insgesamt 43,93 m². Das Mietverhältnis begann am 1.7.2018 und war bis zum 30.6.2023 befristet. Im Frühjahr 2020 hielt der Kläger infolge der zum Schutz gegen Infektionen mit Covid-19 erlassenen Maßnahmen die Kfz-Zulassungsstelle über mehrere Wochen geschlossen. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht verzichtete er auf die Mietzahlungen für die Monate April, Mai und Juni 2020. Seit dem 15.6.2020 ist die Kfz-Zulassungsstelle wieder für den Publikumsverkehr geöffnet. Allerdings müssen Privatpersonen, die einzelne Kraftfahrzeuge zulassen wollen, zuvor telefonisch oder online über ein im Internet zugängliches Formular einen Termin auf der Zulassungsstelle vereinbaren. Demgegenüber benötigen Zulassungsdienste oder Kraftfahrzeughändler, die regelmäßig gebündelt eine größere Anzahl von Zulassungen beantragen, keine vorherige Terminvereinbarung.

Seit Dezember 2020 zahlte die Beklagte nur noch 1.800 € Miete. Sie verlangte eine Herabsetzung der monatlichen Miete auch für den zurückliegenden Zeitraum ab Beginn der Pandemie, weil infolgedessen die Umsätze ihres Betriebs in den Räumen der Kfz-Zulassungsstelle in existenzgefährdender Weise zurückgegangen seien. Sie berief sich dabei ausdrücklich auf eine schwerwiegende Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des Mietvertrags geworden seien. Der Kläger verlangte weiterhin die restlichen Mietzahlungen i.H.v. jeweils 1.950 €.

Das LG gab der Klage im Wesentlichen statt.

Die Gründe:
Die Beklagte hat dem Kläger gem. § 535 Abs. 2 BGB für die streitgegenständlichen Zeiträume die vereinbarte Miete in voller Höhe zu zahlen. Ein Recht zur Herabsetzung der Miete um 1.950 € von 3.750 € auf 1.800 € oder einen noch geringeren Betrag steht der Beklagten nicht zu.

Der Mietvertrag war nicht wucherisch. Ein Mietvertrag über Räume, die von einem Gewerbetreibenden (Schilderpräger) u.a. zur Herstellung von Kennzeichenschildern für Kraftfahrzeuge genutzt werden und die sich in demselben Gebäude befinden wie eine Kfz-Zulassungsstelle, verstößt nicht allein deshalb gegen die guten Sitten, weil die von dem Mieter selbst in einem Ausschreibungsverfahren angebotene Miete den Betrag um ein Mehrfaches übersteigt, den andere ortsansässige Gewerbetreibende für in derselben Gemeinde an anderer Stelle angemietete Räume bezahlen. Die Beklagte hatte den Betrag selbst angeboten. Sie hatte nicht vorgetragen, sich in einer irgendwie gearteten Zwangslage befunden zu haben, die der Kläger ausgenutzt haben könnte. Sie wurde weder von dem Kläger, noch von einem sonstigen Dritten dazu gedrängt, ein Angebot in dieser Höhe abzugeben.

Eine Minderung der Miete folgte nicht aus § 536 BGB, weil die gemieteten Räume keinen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB aufwiesen, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben oder gemindert hätte. Ebenso konnte die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB keine Herabsetzung der geschuldeten Miete verlangen. Der Mieter kann eine spätere Herabsetzung der vereinbarten Miete unter dem Gesichtspunkt einer wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage nicht allein deshalb verlangen, weil seine tatsächlich in den gemieteten Räumen erzielten Umsätze deutlich hinter seinen Erwartungen zurückbleiben.

Statistische Werte, die der Vermieter über die Anzahl der in den Vorjahren in der Kfz-Zulassungsstelle bearbeiteten Verwaltungsvorgänge bekanntgegeben hatte, können zwar zur Geschäftsgrundlage des Mietvertrags gehören. Gibt es jedoch naheliegende Gründe für den ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolg des Mieters, die seinem unternehmerischen Risiko zuzuordnen sind (hier: Insbesondere der zunehmende Wettbewerb durch Unternehmer, die vergleichbare Leistungen im Internet anbieten), so kann ihm das Festhalten an der Miete in unverminderter Höhe zugemutet werden.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.02.2023 13:28
Quelle: Landesrecht Rheinland-Pfalz

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