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Ausschluss und Beschränkung der Minderung in der Wohnraummiete – Teil I (Zimmer, MietRB 2023, 54)

Ist die Mietsache mangelhaft im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB, führt der Mietmangel kraft Gesetzes automatisch zu einer Reduzierung der Miete. Dieser Automatismus kennt aber „Ausnahmen“, die in der Beratung sowohl von Mietern als auch von Vermietern oft nicht hinreichend beachtet werden. Der folgende Beitrag fasst das Wesentliche zu den Ausschlusstatbeständen in der Wohnraummiete zusammen.

I. Einleitung
II. Gesetzlicher Minderungsausschlus
s
1. Unerhebliche Minderung der Tauglichkeit gem. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB
2. Mietminderungsausschluss bei energetischen Modernisierungen
3. Kenntnis des Mangels bei Vertragsschluss, § 536b S. 1 BGB
4. Grob fahrlässige Unkenntnis des Mangels bei Vertragsschluss
5. Vorbehaltlose Annahme trotz Mangelkenntnis


I. Einleitung
Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt.

Beraterhinweis:
Da die Mietminderung nur eintritt, wenn der Ist-Zustand der Mietsache in erheblichem Maße negativ von ihrem Soll-Zustand abweicht, ist aus Sicht des Vermieters stets zu prüfen, ob das, was der Mieter als negative Abweichung vom Soll-Zustand der Mietsache ansieht, nicht doch vertragsgemäß ist. Die Vertragsgemäßheit kann sich aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien ergeben. Fehlen ausdrückliche Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache, bestimmt sich der vertragsgemäße Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks, hier der Nutzung als Wohnung, und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung. Hiernach ist grundsätzlich der bei Überlassung der Wohnung gegebene Zustand vertragsgemäß. Der tatsächliche „Substandard“ stellt dann keinen Sachmangel i.S.v. § 536 BGB
dar, so dass eine Mietminderung ausgeschlossen ist.

Bei der Minderung handelt es sich nicht um einen Anspruch i.S.v. § 194 BGB, sondern um eine kraft Gesetzes eintretende Folge der Mangelhaftigkeit. Ebenso wenig ist die Mietminderung ein Gestaltungsrecht, das der Mieter ausüben müsste. Sie tritt vielmehr ein, ohne dass sich der Mieter darauf berufen muss. Die Mietminderung besteht solange, wie die Gebrauchstauglichkeit der Sache durch den Mangel herabgesetzt oder aufgehoben ist.

Die Minderung stellt eine von Amts wegen zu beachtende rechtsvernichtende Einwendung dar. Das bedeutet für die Darlegungslast des Mieters, der sich gegenüber dem Zahlungsanspruch des Vermieters auf einen Mangel der Mietsache beruft und daraus eine Minderung der Miete herleitet, dass er nur konkrete Sachmängel darzulegen braucht, die die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen. Von ihm ist auch nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen („Mangelsymptome“) hinaus die – ihm häufig nicht bekannte – Ursache dieser Symptome bezeichnet. Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung liegt ebenfalls nicht in der Darlegungslast des Mieters. Einen bestimmten Mietminderungsbetrag muss er mithin nicht angeben. Allein Anknüpfungstatsachen sind von ihm vorzutragen, anhand derer das Gericht dann eine Minderungsquote bestimmen kann – entweder aus eigener Sachkunde oder mit sachverständiger Beratung.

Dabei zielt die Minderung darauf ab, die mangelbedingte Herabsetzung der Gebrauchstauglichkeit auszugleichen. Sie ist Ausdruck des das Schuldrecht prägenden Äquivalenzprinzips. Durch sie soll die von den Vertragsparteien festgelegte Gleichwertigkeit zwischen den Leistungen des Vermieters – der Bereitstellung einer vertragsgemäßen Mietsache – und der Leistung des Mieters – der Mietzahlung – bei einer Störung auf der Vermieterseite wiederhergestellt werden. Es ist daher unbeachtlich, ob der Mangel überhaupt beseitigt werden kann, oder ob der Vermieter den Mangel zu vertreten hat. Die Mietminderung tritt verschuldensunabhängig ein, wie sich § 536 Abs. 1 BGB entnehmen lässt.

Da es sich bei der Minderung um eine kraft Gesetzes eintretende Änderung der Vertragspflichten handelt, kann der Vermieter nicht mit Erfolg einwenden, der Mieter hätte die Mietsache, auch dann nicht genutzt, wenn sie zum vertraglichen Gebrauch tauglich gewesen wäre.

Bemessungsgrundlage der Minderung nach § 536 BGB ist grundsätzlich die Bruttomiete einschließlich einer Betriebskostenpauschale oder einer Vorauszahlung auf die Betriebskosten. Die Minderung erfolgt taggenau für den Zeitraum, während dessen die Nutzbarkeit der Mietsache eingeschränkt ist.

Da der Minderungseinwand kein Anspruch ist, kann er nicht verjähren. Überzahlte Miete kann der Mieter nach §§ 812 ff. BGB
zurückverlangen. Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung überzahlter Mieten unterliegt der 3-jährigen Verjährung gem. § 195 BGB.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich der Gesetzgeber bei der Konzeption des § 536 BGB durchweg von dem Gedanken eines umfassenden Mieterschutzes hat leiten lassen. Dennoch gibt es einige Gründe, die zu einem Ausschluss der Mietminderung führen können. Über die für die Beratungspraxis bedeutsamen Ausschlussgründe soll im Folgenden ein Überblick geboten werden.

II. Gesetzlicher Minderungsausschluss

1. Unerhebliche Minderung der Tauglichkeit gem. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB

Eine Mietminderung ist gem. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB ausgeschlossen, wenn die durch den Sachmangel hervorgerufene Minderung der Tauglichkeit der Mietsache unerheblich ist. Als unerheblich ist ein Mangel nach gängiger Definition insbesondere dann anzusehen, wenn er...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.02.2023 12:30
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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