Otto Schmidt Verlag

AG München v. 18.3.2022, 142 C 12408/21

Der Hinweis „Bitte keine Werbung einwerfen“ ist verbindlich

Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises kann davon ausgegangen werden, dass Handzettel eines Unternehmens auch von Werbeverteilern, die für das Unternehmen tätig sind, im Zuge von Werbeaktionen eingeworfen wurden. Hierbei handelt es sich um einen typischen Geschehensablauf. Die pauschale Behauptung, Dritte könnten Handzettel verteilt haben, steht der Bejahung des Anscheinsbeweises nicht entgegen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte an der Briefkastenanlage seines Wohnhauses zwei Werbeflyer der beklagten Umzugsfirma gefunden, die in eine Ritze zwischen einem Briefkasten und einem darunter liegenden Spalt der Briefkastenanlage geklemmt waren. Sämtliche Briefkästen der Anlage waren mit dem Hinweis „Bitte keine Werbung einwerfen“ gekennzeichnet.

Der Kläger war der Ansicht, die Beklagte habe die Werbeflyer in rücksichtsloser Art verteilen lassen. Die Bewohner des Hauses, die schon keine Werbung erhalten wollten, legten erst recht keinen Wert auf wild abgelegte oder befestigte Reklame. Hierdurch erhöhe sich der Lästigkeitsfaktor sogar erheblich. Die Beklagte erklärte darauf, sie habe die angeblich störende Art einer Verteilung von Werbematerial nicht veranlasst und auch nicht zu vertreten. Die von ihr beauftragten Verteiler seien angewiesen gewesen, Werbung nur in Briefkästen einzulegen, die keinen Hinweis enthielten, dass der Nutzer keine Werbung haben möchte. Die Beklagte verwies zudem darauf, dass die Briefkastenanlage der Wohnanlage für jeden Passanten zugänglich sei und daher auch unbekannte Dritte das Werbematerial dort abgelegt haben könnten.

Das AG gab der Unterlassungsklage vollumfänglich statt.

Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 823 Abs. 1, 863 BGB i.V.m. § 1004 BGB analog zu. Er wurde durch die Beklagte in seinem Besitz bzw. Mitbesitz rechtswidrig gestört. Es besteht zudem Wiederholungsgefahr und die Beklagte ist die Störerin.

Durch das Einwerfen von Werbe-Flyern ist grundsätzlich eine Besitzstörung anzunehmen, wenn - wie hier - erkennbar zu verstehen gegeben wird, dass der Einwurf von Werbung nicht erwünscht ist. Dem Wohnungsbesitzer steht nämlich das Recht aus § 862 BGB zu, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen.

Zwar wurde im vorliegenden Fall der Werbeflyer nicht in den dem Kläger zugewiesenen Briefkasten gesteckt. Der Kläger wurde jedoch in seinem Mitbesitz an der Briefkastenanlage und am Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses gestört. Die Beklagte ist als mittelbare Störerin anzusehen, da sie Flyer der gegenständlichen Art unstreitig auch im streitgegenständlichen Zeitraum in München hatte verteilen lassen.

Der Einwand der Klägerin, ihre Austräger hätten die Flyer im konkreten Fall nicht verteilt, konnte nicht durchgreifen. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises kann davon ausgegangen werden, dass Handzettel eines Unternehmens auch von Werbeverteilern, die für das Unternehmen tätig sind, im Zuge von Werbeaktionen eingeworfen wurden. Hierbei handelt es sich um einen typischen Geschehensablauf. Die pauschale Behauptung, Dritte könnten Handzettel verteilt haben, steht der Bejahung des Anscheinsbeweises nicht entgegen. Der Beklagten ist es auch im Rahmen der Beweisaufnahme nicht gelungen, Tatsachen zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden (atypischen) Ablaufs ergibt.

Unerheblich war auch der Einwand der Beklagten, sie habe die von ihr beauftragten Austräger angewiesen, Werbung nur auf erlaubte Weise zu verteilen. Die Beklagte ist gehalten, die von ihr beauftragten Verteiler eindringlich auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Organisation und Kontrolle der Werbeaktion hinzuweisen, sich über den Einsatz geeigneter Schutzvorkehrungen zu vergewissern, Beanstandungen nachzugehen, schließlich gegebenenfalls dem Anliegen durch Androhung wirtschaftlicher und rechtlicher Sanktionen einen stärkeren Nachdruck zu verleihen. Zu denken ist hier etwa an eine Vertragsstrafenvereinbarung. Zur Einleitung derartiger Maßnahmen hat die Beklagte jedenfalls nach dem vom Kläger gerügten Verstoß jedoch nichts vorgetragen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.03.2023 13:48
Quelle: AG München – Pressemitteilung v. 6.3.2023

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