Otto Schmidt Verlag

LG Berlin v. 22.2.2023 - 64 S 230/22

Extra-Nutzungsvereinbarung über Kellerraum kann Umgehung der „Mietpreisbremse“ darstellen

Schließen die Parteien eines Wohnungsmietvertrages gleichzeitig eine Nutzungsvereinbarung über einen Kellerraum, die für den Mieter während einer mehrjährigen Mindestlaufzeit nicht unabhängig von dem Wohnungsmietverhältnis kündbar ist, kann dieses vertragliche Konstrukt auf eine Umgehung der Regelungen über die „Mietpreisbremse“ hinauslaufen. Dafür spricht vorliegend, dass in Berlin eine Wohnung üblicherweise einen nutzbaren Keller oder vergleichbaren Abstellraum umfasst, ohne dass dafür ein zusätzliches Entgelt neben der Wohnungsmiete bezahlt werden muss.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte die Beklagte auf Zahlung rückständiger Miete sowie auf Räumung der gemieteten Wohnung in Anspruch genommen. Sie hielt die Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ nach §§ 556d ff. BGB für unanwendbar, insbesondere da die Begründung der Rechtsverordnung nicht rechtzeitig veröffentlicht worden sei. Das AG hat die Klage nahezu vollständig abgewiesen.

Die Klägerin rügte im Berufungsverfahren, das AG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Verordnungsbegründung rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Mietenbegrenzungsverordnung in zumutbarer Weise bekannt gemacht worden sei. Zudem habe es eine viel zu niedrige ortsübliche Vergleichsmiete zu Grunde gelegt, zumal es den Berliner Mietspiegel 2021 nach den einschlägigen Übergangsregelungen im EGBGB noch nicht einmal als Schätzgrundlage hätte heranziehen dürfen. Schließlich habe das AG verkannt, dass die Parteien über den Kellerverschlag einen eigenständigen Mietvertrag abgeschlossen hätten, die gesonderte Kellermiete von monatlich 99 € mithin von vorne herein nicht den Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ unterfalle.

Das LG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Soweit die Klägerin erneut darauf hingewiesen hatte, dass die Begründung der Verordnung am 1.6.2015 noch nicht über übliche Internet-Suchmaschinen wie „google“ auffindbar gewesen sei, kam es darauf nicht entscheidend an. Die Kammer hat nämlich bereits mit Beschluss vom 23.1.2023 darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats (BGH, 27.5.2020 - VIII ZR 45/19) im Internet abrufbare Informationen im Allgemeinen leicht zugänglich sind, selbst wenn sie nicht über eine Suchmaschine wie „google“ aufgefunden werden können; der BGH führt dort ausdrücklich aus, dass es ausreichend ist, die Verordnungsbegründung – wenn auch mit etwas Mühewaltung – auf der Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses finden zu können. Dass dies bereits am 1.6.2015 möglich war steht, wie im Beschluss vom 23.1.2023 ausgeführt, ungeachtet der Ausführungen des AG Neukölln in seinem Urteil vom 16.11.2022 außer Zweifel.

Die Kammer hält ferner daran fest, dass sich die Klägerin jedenfalls während der ersten zehn Jahre der Laufzeit des Mietverhältnisses nicht darauf berufen kann, dass die Kellermiete gesondert zu zahlen und den gesetzlichen Regelungen des Wohnungsmietrechts entzogen sei, weil dies auf eine Umgehung der Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ hinausliefe. Die unübliche Vertragsgestaltung rechtfertigt die Einordnung als Umgehungsgeschäft; es entspricht in Berlin nämlich dem ortsüblichen Standard, dass eine Wohnung einen nutzbaren Keller oder vergleichbaren Abstellraum umfasst. Der Fall der Errichtung einer gesonderten Vertragsurkunde über die langfristige Vermietung eines Stellplatzes oder einer Garage könnte deswegen abweichend zu beurteilen sein, weil es in Berlin nicht dem ortsüblichen Standard entspricht, dass eine Wohnung einen Stellplatz oder eine Garage umfasst, sondern es vielmehr der Üblichkeit entspricht, die Überlassung eines Stellplatzes oder einer Garage ebenso wie eine zusätzlich gerade dafür zu zahlende Miete ausdrücklich zu vereinbaren.

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Aufsatz
Hans Reinold Horst
Mietspiegel-Reform
MDR 2022, 863

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.03.2023 11:01
Quelle: Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank

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