Otto Schmidt Verlag

OLG Brandenburg v. 27.4.2023 - 10 U 100/22

Gestohlener Kellerschlüssel im Mehrfamilienhaus und die Folgekosten

Den Schlüssel von außen in der Kellertür während des Aufenthalts stecken zu lassen, ist fahrlässig i.S.v. § 276 Abs. 2 BGB. Die Unannehmlichkeit, die damit verbunden ist, den Schlüssel in den Keller mitzunehmen und ihn dann zum Absperren erneut einstecken zu müssen, ist dabei auch nicht so erheblich, dass dies die Inkaufnahme des Risikos rechtfertigt und das Steckenlassen der verkehrsüblichen Sorgfalt entsprechen würde. Die bloße Möglichkeit, dass der Dieb ein Hausbewohner sein könnte, reicht nicht aus, um die Befürchtung zu zerstreuen, dass eine hausfremde Person den Schlüssel entwendet hat.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist als Mitglied der klagenden WEG Sondereigentümer einer an die Streithelferin vermieteten Wohnung. Am 4.3.2020 gegen 17 Uhr hatte die Streithelferin die Kellertür aufgeschlossen und den Schlüssel im Schloss der offenen Kellertür steckengelassen. Die Tür war angelehnt, so dass von außen nicht erkennbar war, dass in der Kellertür ein Schlüssel steckte. Eine unbekannte Person verschloss die Tür und sperrte ab, was der Streithelferin auffiel, als sie den Keller verlassen wollte und es ihr nicht möglich war. Der Schlüssel passte an Haustür, Kellergänge, Müllhaus und Tiefgarage. Er gehörte zu einer erweiterbaren Schließanlage, die im Jahr 1996 geliefert worden war. Nach dem Verlust des Schlüssels kam es wiederholt zu Diebstählen in der Tiefgarage des Gebäudes.

Die Klägerin ließ 41 DOM Doppelzylinder mit jeweils drei Schlüsseln sowie 7 Halbzylindern mit jeweils drei Schlüsseln und 130 Zylinderverlängerungen liefern und einbauen. Sie bestellte außerdem 80 Einzelmehrschlüssel. Hierfür wandte sie rund 6.669 € auf. Die Klägerin hat behauptet, die Sicherheit der ganzen Anlage sei aufgrund des Schlüsselverlustes nicht mehr gewährleistet. Sie habe nur Zylinder ausgetauscht, hinsichtlich derer ein Austausch aufgrund des Schlüsselverlustes erforderlich gewesen sei. Der Beklagte hat behauptet, die Schließanlage sei bereits vor dem Schlüsselverlust unvollständig gewesen. Zudem hat die Streithelferin behauptet, eine Missbrauchsgefahr bestehe deswegen nicht, weil der Diebstahl durch jemanden aus dem Haus erfolgt sein müsse.

Erstinstanzlich hat die Klägerin Zahlung von 6.627 € begehrt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.625 € zu zahlen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz von 1/4 des ihr entstandenen Schadens, abzüglich bereits gezahlter 42 €. Der Anspruch ergibt sich dem Grunde nach aus §§ 280 Abs. 1, 278 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG (a.F.).

Die nach § 280 Abs. 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung lag hier in der mangelhaften Verwahrung des Schlüssels und damit der nicht ausreichend sorgfältigen Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch die Streithelferin. Die Schutz- und Obhutspflichten des Wohnungseigentümers erstrecken sich auch auf Schließanlagen, die im Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer stehen. Der Beklagte haftet dafür, dass der Schlüssel der Streithelferin und nicht ihm selbst abhandengekommen ist. Das Verschulden der Streithelferin muss sich der Beklagte nämlich gem. § 278 BGB zurechnen lassen.

Den Schlüssel von außen in der Kellertür während des Aufenthalts stecken zu lassen, ist fahrlässig i.S.v. § 276 Abs. 2 BGB. Die verkehrsübliche Sorgfalt gebietet es, einen Schlüssel sorgsam zu verwahren. Das Steckenlassen des Schlüssels von außen wird der Verwahrungspflicht nicht mehr gerecht, weil so Fremden der Zugriff auf den Schlüssel ermöglicht wird. Die Unannehmlichkeit, die damit verbunden ist, den Schlüssel in den Keller mitzunehmen und ihn dann zum Absperren erneut einstecken zu müssen, ist dabei auch nicht so erheblich, dass dies die Inkaufnahme des Risikos rechtfertigt und das Steckenlassen der verkehrsüblichen Sorgfalt entsprechen würde.

Der Verlust eines Schlüssels führte zwar nicht zu einer Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage, so dass die Kosten einer neuen Schließanlage nicht nach § 249 Satz 2 BGB fiktiv - also unabhängig vom Austausch der Anlage - abgerechnet werden können. Ein ersatzfähiger Schaden entsteht aber dann, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht, unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt. In einem solchen Fall hat sich das Gefährdungspotential in einer Vermögenseinbuße realisiert.

Die Missbrauchsgefahr entfiel auch nicht deswegen, weil die Streithelferin geltend gemacht hatte, als Dieb komme nur eine Person aus dem Haus in Betracht. Ein anderer Hausbewohner verfügte zwar schon vor dem Diebstahl über einen eigenen Schlüssel, so dass die Einbruchsgefahr durch eine solche Person durch einen weiteren Schlüssel für die Gemeinschaft nicht höher geworden ist, als er/sie es schon vorher war. Die bloße Möglichkeit, dass der Dieb ein Hausbewohner sein könnte, reicht aber nicht aus, um die Befürchtung zu zerstreuen, dass eine hausfremde Person den Schlüssel entwendet hat.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.05.2023 11:42
Quelle: Landesrecht Brandenburg

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