Otto Schmidt Verlag

BGH v. 28.9.2023 - III ZB 93/22

Kleingartenpachtvertrag: Rechtsmittelbeschwer des klagenden Grundstückseigentümers

Der BGH hat sich vorliegend mit der Bemessung der Rechtsmittelbeschwer des die Herausgabe eines in seinem Eigentum stehenden Grundstücks begehrenden, in der Vorinstanz unterlegenen Klägers befasst, wenn sich der Beklagte auf einen das Grundstück betreffenden Kleingartenpachtvertrag beruft.

Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Herausgabe der Teilfläche eines im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücks. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Beklagten ein Nutzungsrecht an dieser Teilfläche aufgrund eines konkludent mit dem Voreigentümer des Grundstücks geschlossenen Pachtvertrages über die Nutzung als Kleingarten zusteht.

Das LG wies die auf § 985 BGB und hilfsweise auf § 581 Abs. 2, § 546 Abs. 1 BGB gestützte Klage ab. Das OLG verwarf die Berufung des Klägers als unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes entgegen § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO den Betrag von 600 € nicht übersteige, und setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 45,63 € fest.

Das OLG führte aus, der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimme sich in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Herausgabekläger meine, dass zwischen den Parteien kein Nutzungs- oder Pachtverhältnis bestehe, während sich der Beklagte auf ein Recht zum Besitz aus einem Zwischenpachtvertrag berufe, nach den §§ 8, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahrespachtzins. Dieser belaufe sich nach den Behauptungen des Beklagten auf 45,63 €. Die Beschwer des Klägers betrage mithin 159,71 €. Maßgeblich sei, dass der Beklagte sich auf einen Zwischenpachtvertrag nach dem Bundeskleingartengesetz mit der Rechtsvorgängerin des Klägers mit einem jährlichen Pachtzins von 45,63 € berufe, in den später der Kläger eingetreten sei. Es komme auch nicht darauf an, dass die Rechtsvorgängerin des Klägers zunächst einen Pachtzins von 0,50 € pro Monat und Quadratmeter gefordert gehabt habe. Von dieser Forderung habe sie in der Folge Abstand genommen und den Pachtzins von 45,63 € jährlich akzeptiert. Das Bestehen eines Pachtvertrags sei zwischen den Parteien streitig. Sei in einem solchen Fall - wie hier - das Ende des umstrittenen Pachtverhältnisses weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, sei im Rahmen der Wertbemessung gem. § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Nach der Rechtsprechung des Senats findet § 8 ZPO auch auf Kleingartenpachtverhältnisse i.S.d. Bundeskleingartengesetzes Anwendung. Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses - wie hier - weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, so ist im Rahmen der Wertbemessung gem. § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden. Dies gilt nach ständiger BGH-Rechtsprechung auch dann, wenn der Kläger einer Herausgabeklage diese allein oder in erster Linie auf einen dinglichen Anspruch wie denjenigen aus § 985 BGB stützt und sich der Beklagte demgegenüber mit einem angeblichen Miet- oder Pachtverhältnis verteidigt.

Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass diese Rechtsprechung in der obergerichtlichen Rechtsprechung oder der Literatur in Zweifel gezogen wird. Entgegen ihrer Auffassung besteht auch kein Wertungswiderspruch dazu, dass bei einem allein auf ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gestützten Räumungsanspruch der Streitwert nach § 6 ZPO und dem Verkehrswert des Herausgabeobjektes zu bestimmen ist. Denn in Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich der Beklagte auf ein zum Besitz berechtigendes Nutzungsverhältnis beruft, streiten die Parteien - wie der Kläger an anderer Stelle zutreffend erkennt - nicht um den Vollwert des Grundstücks, sondern nur um dessen Nutzung. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage ist mithin in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem geklärt. Einen Grund, von ihr abzuweichen, zeigt der Kläger nicht auf.

Eine Veranlassung zur Fortbildung des Rechts besteht ebenfalls nicht hinsichtlich der weiteren von der Rechtsbeschwerde formulierten Frage, welche Werte der Bestimmung der Beschwer zugrunde zu legen sind, wenn der Kläger zum Wert der Nutzung des Grundstücks selbst vorgetragen hat und dieses Interesse über die vom Beklagten dargelegten Pachtzinsen hinausgeht. Nach der Rechtsprechung des BGH kann der nach § 8 ZPO bzw. § 9 ZPO maßgebliche Pacht- oder Mietzins nur dem Vortrag der Beklagtenseite entnommen werden, wenn die klagende Partei - wie hier - den Bestand eines Pacht- oder Mietvertrages hinsichtlich der streitgegenständlichen Flächen bestreitet. Die Beklagtenseite kann nicht geltend machen, ihre Beschwer richte sich nach einem höheren Pacht- oder Mietzins, der weder nach dem Vortrag der klagenden Partei noch nach ihrem eigenen Vortrag vereinbart war. Nichts anderes gilt, wenn die Beschwer des in der Vorinstanz unterlegenen, auf Herausgabe klagenden Eigentümers zu bestimmen ist. Auch dann ist der dreieinhalbfache Jahresbetrag des zu entrichtenden Pachtzinses - und nicht ein allgemeiner Gebrauchswert der Nutzung - heranzuziehen.

Mehr zum Thema:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.11.2023 12:12
Quelle: BGH online

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