Otto Schmidt Verlag

Aktuell im MietRB

Von der Zustimmung des Verwalters zur Zustimmung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer: Das dynamische Vereinbarungsverständnis (Elzer, MietRB 2023, 344)

Die Mehrheit der aktuellen Gemeinschaftsordnungen verpflichtet den Verwalter, bestimmte Erklärungen im Rechtsverkehr abzugeben. Der Standardfall sind Veräußerungsbeschränkungen. Denn als Inhalt des Sondereigentums kann vereinbart werden, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung eines Dritten bedarf. Als dieser „Dritte“ wurde ganz regelmäßig der Verwalter bestimmt. Die Änderungen, die das Wohnungseigentumsgesetz durch das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG) v. 16.10.2020 erfahren hat, ermuntern dazu, diese Anordnungen mit neuen Augen zu sehen.


I. Die bisherige Praxis

1. Überblick

2. Systematisierung

3. Adressat

II. Die WEG-Reform 2020

1. Überblick

2. Erste Überlegungen

a) Allgemeines

b) Ausgestaltung gesetzlicher Aufgaben

c) Begründung weiterer Aufgaben

3. Klärendes aus Karlsruhe

III. Folgerungen

1. Überblick

2. Vereinbarung i.S.v. § 27 Abs. 2 WEG

3. Erklärung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

4. Zustimmungsklage und Haftung

5. Verwalterlose Gemeinschaften

6. Gestaltung von Gemeinschaftsordnung

7. Datenschutz und öffentliches Recht


I. Die bisherige Praxis

1. Überblick


Die Wohnungseigentümer können i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG vereinbaren, dass weitere Pflichten zu erfüllen sind. Als solche gewillkürten Pflichten kommen u.a. die folgenden Aufgaben in den Blick:

  • Die Bestimmung des Inhaltes einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer, beispielsweise ein anderer Umlageschlüssel.
  • Die Bestimmung einer Vereinbarung.
  • Die Zustimmung nach § 12 Abs. 1 WEG zu einer Veräußerung.
  • Die Zustimmung zu einer abweichenden Benutzung, beispielsweise zur Benutzung eines Wohnungseigentums zur Ausübung eines Gewerbebetriebs oder Berufs.
  • Die Zustimmung zu einer Vermietung, Verpachtung oder sonstigen Gebrauchsüberlassung.
  • Die Überwachung von Gebrauchsbestimmungen.
  • Die Verteilung der Gebrauchsrechte an Kellern oder die Zuweisung von Stellplätzen.
  • Die Bestimmung der Inhalte einer Hausordnung.
  • Die Auswahl eines Versicherers.
  • Die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung.
  • Die Abhaltung von Versammlungen für „Untergemeinschaften“.
  • Die Erstellung „hausbezogener“ Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen.


Beraterhinweis Was für eine konkrete Wohnungseigentumsanlage gilt, ist der Gemeinschaftsordnung zu entnehmen. Im Einzelfall, wird diese keine der genannten Aufgaben benennen. Es ist aber auch vorstellbar, dass sich sogar mehrere der Aufgaben finden. In vielen, wenn auch nicht in allen Wohnungseigentumsanlagen wird sich jedenfalls die Pflicht finden, einer Veräußerung zuzustimmen.

2. Systematisierung

Systematisiert man diese Vereinbarungen, kann man unterscheiden: Einige präzisieren die Aufgaben, die sowieso zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gehören. Beispiel hierfür ist eine Vereinbarung entsprechend § 27 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 WEG a.F. („Durchführung der Hausordnung zu sorgen“), nach der Gebrauchsbestimmungen zu überwachen sind. Ein weiteres Beispiel ist in einer Mehrhausanlage die Anordnung, dass es „hausbezogene“ Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen geben soll. Andere bestimmen solche Aufgaben, die von Gesetzes wegen nicht zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gehören. Hierzu gehört u.a. die Zustimmung zu einer Veräußerung nach § 12 Abs. 1 WEG. Ferner gehört hierzu die Pflicht, neben oder anstelle einer Beschlussfassung einer baulichen Veränderung zuzustimmen.

3. Adressat

Als Adressat der Vereinbarungen wurde bis zur WEG-Reform 2020 einhellig der Verwalter gesehen. Dies entspricht ihrem Wortlaut. Und es entspricht ihrem Sinn und Zweck zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Dies dürfte für die Vereinbarungen unstreitig sein, die vor dem 2.6.2005 getroffen wurden. Denn erst nach der wegweisenden Entscheidung des BGH, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als rechtsfähig anzusehen, durfte eine Aufgabe ernsthaft nicht an den Verwalter, sondern an eine rechtsfähige Gemeinschaft herangetragen werden. Aber auch in Vereinbarungen, die nach diesem Zeitpunkt oder nach dem 1.7.2007 getroffen wurden, der mit § 10 Abs. 6 S. 1 WEG a.F. die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Gesetz implementierte, wurde nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern stets der Verwalter als Adressat betrachtet. Diese Sichtweise hatte ihren Grund im Wesentlichen darin, dass der Verwalter und nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Aufgabe hatte, das gemeinschaftliche Eigentum zu verwalten.

Beraterhinweis Der Gesetzeswortlaut war eindeutig. (...)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.11.2023 07:29
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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