Otto Schmidt Verlag

BGH v. 20.9.2023 - VIII ZR 247/22

Verstoß gegen Mietpreisbremse: Erstattung außergerichtlicher Kosten für Inkassodienstleister auch nach erfolgloser Einschaltung eines Mietvereins

Beauftragt der Mieter einer Wohnung einen - auf die Einziehung von Ansprüchen gegen Vermieter wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d ff. BGB) spezialisierten - Inkassodienstleister mit der Geltendmachung solcher Ansprüche, kann die Erstattung der hierdurch entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Vermieter auf eine Leistungsaufforderung des von dem Mieter zuvor eingeschalteten örtlichen Mietervereins keine Reaktion gezeigt hat.

Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH verfügt über eine Registrierung gem. § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen. Sie verlangt mit ihrer Klage aus abgetretenem Recht der Mieter einer Wohnung der Beklagten die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten i.H.v. rd. 800 €.

Zwischen der Beklagten und den Mietern besteht seit Dezember 2016 ein Mietvertrag über eine 48,20 qm große Wohnung, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.4.2015 (in Kraft seit 1.6.2015) in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Vertraglich war eine Miete von mtl. rd. 530 € (nettokalt) vereinbart. Vorprozessual war unstreitig, dass sich im Hinblick auf die vorbezeichnete Verordnung eine Überzahlung der Miete i.H.v. rd. 140 € mtl. ergebe. Die Mieter rügten mit Schreiben vom 9.2.2017 in Bezug auf die vermietete Wohnung einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB). Da die Beklagte nicht reagierte, wendeten sich die Mieter an den örtlichen Mieterverein. Dieser forderte die Beklagte mit Schreiben vom 10.4.2017 unter Fristsetzung auf zu bestätigen, dass die zulässige Nettokaltmiete mtl. rd. 335 € betrage, sowie überzahlte Miete ab März 2017 zu erstatten.

Nachdem die Beklagte erneut keine Reaktion zeigte, rügte die Klägerin mit Schreiben vom 15.6.2017 gegenüber der Beklagten - unter Berufung auf eine Beauftragung und Bevollmächtigung durch die Mieter - gem. § 556g Abs. 2 BGB a.F. einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die vermietete Wohnung. Die Klägerin verlangte mit diesem Schreiben - unter Fristsetzung bis zum 29.6.2017 - Auskunft u.a. über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete, über vorangegangene Mieterhöhungen und über durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen. Ferner begehrte sie die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung der Beklagten, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde.

Die Beklagte übersandte den Mietern mit Schreiben vom 7.7.2017 einen - noch zu unterzeichnenden - Nachtrag zum Mietvertrag, der eine Herabsetzung der Nettokaltmiete auf mtl. rd. 390 € vorsah. Mit Schreiben vom 15.9.2017 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten i.H.v. rd. 800 €. Die Beklagte lehnte dies mit Anwaltsschreiben vom 6.10.2017 ab und machte geltend, die Beauftragung der Klägerin sei nicht erforderlich gewesen.

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge der Klägerin wies das LG zurück. Auf die Verfassungsbeschwerde der Klägerin hob der VerfGH Berlin das vorgenannte Urteil des LG wegen Verletzung der Klägerin in ihren durch die Verfassung von Berlin gewährleisteten Grundrechten auf effektiven Rechtsschutz und den gesetzlichen Richter auf und verwies die Sache an das LG zurück. Das LG wies die Klage daraufhin erneut ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom LG gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gem. § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 398 BGB, § 4 Abs. 5 RDGEG a.F. nicht versagt werden.

Zugunsten der Klägerin ist zu unterstellen, dass die beklagte Vermieterin ihre aus § 556d Abs. 1 BGB folgende Pflicht, von ihren Mietern nur die höchstzulässige Miete zu verlangen, schuldhaft verletzt und den Mietern deshalb Anlass dazu gegeben hat, Ansprüche aus § 556g Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BGB geltend zu machen. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten ist nicht deswegen gemindert oder sogar entfallen, weil die Einschaltung der Klägerin nicht erforderlich i.S.v. § 249 BGB gewesen wäre oder die Mieter gegen ihre Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB verstoßen hätten.

Einem Anspruch der Klägerin auf Erstattung der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten steht auch nicht entgegen, dass die Mieter zuvor vergeblich den örtlichen Mieterverein eingeschaltet hatten. Die Zuhilfenahme der Klägerin war aus der Sicht der Mieter zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig, weil die Beklagte auch auf die Aufforderung des Mietervereins nicht reagiert hatte. Das LG hat den Mieterverein als qualifiziert, besonders sachkundig, problemerfahren und routiniert beurteilt; ferner hat es ihm eine "besondere Durchsetzungsmacht" zugeschrieben. Diese Gesichtspunkte hat es als ausschlaggebend für seine klageabweisende Entscheidung angesehen.

Es darf dem Mieter indes nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich qualifizierter Unterstützung bedient hat, zumal der Mieterverein vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten nicht von der Beklagten verlangt hat. Wie der BGH bereits entschieden hat, muss der Gläubiger ungeachtet der Spezialisierung eines zunächst beauftragten Rechtsdienstleisters bei unterbliebener Reaktion des Schuldners nicht davon ausgehen, dass die außergerichtliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts von vornherein aussichtslos war. Dies gilt in gleicher Weise jedenfalls dann, wenn der Mieter - wie hier - einen seinerseits spezialisierten Inkassodienstleister mit der erneuten außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung beauftragt, nachdem er zuvor vergeblich den örtlichen Mieterverein eingeschaltet hatte.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 556d Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Rechtsprechung:
Urteil
BGH vom 07.12.2022 - VIII ZR 81/21

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.11.2023 15:20
Quelle: BGH online

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