Otto Schmidt Verlag

AG Hamburg v. 16.1.2024 - 49 H 3/23

Vermieter kann Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht auf Gericht abwälzen

Es ist nicht zulässig, vor einem Mieterhöhungsverlangen die ortsübliche Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen im Wege des selbständigen Beweisverfahrens klären zu lassen. Es handelt sich nicht nur um eine gerichtlich zu entscheidende Rechtsfrage. Die Mieterseite darf zudem nicht mit den Kostenrisiken eines solchen Verfahrens belastet werden.

Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist der Vermieter der Antragsgegnerin. Er beabsichtigte, die Miete zu erhöhen. Infolgedessen stellte er vor dem AG einen Antrag auf Einholung eines Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren zur ortsüblichen Vergleichsmiete der von der Antragsgegnerin bewohnten Wohnung.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen und den Streitwert auf 1.700 € festgesetzt.

Die Gründe:
Bei der Frage nach der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich um eine Rechtsfrage, für die das Gericht zwar, soweit die weiteren formellen Voraussetzungen eines Erhöhungsverlangen in hinreichender Weise vorliegen, ein Gutachten in Bezug auf die Anknüpfungstatsachen einholt. Es ist jedoch nicht zulässig, vor einem Mieterhöhungsverlangen die ortsübliche Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen im Wege des selbständigen Beweisverfahrens klären zu lassen.

Hierfür spricht im Übrigen auch, dass die Begründung eines Mieterhöhungsverlangens Aufgabe der Vermieterseite ist. Insoweit kann sie nach § 558a Abs. 2 BGB auf den Mietenspiegel, eine Auskunft aus einer Mietdatenbank, ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten vereidigten Sachverständigen oder die entsprechenden Entgelte für einzelne vergleichbaren Wohnungen Bezug nehmen.

Bei dem hier als Begründung vorgesehenen Mittel eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handelt es sich nicht um ein Gutachten, so wie es ein Gericht im Hinblick auf Anknüpfungstatsachen für die ortsübliche Vergleichsmiete einholt, sondern um ein deutlich weniger aufwendiges Gutachten, das hinreichend Anknüpfungstatsachen benennt, ohne jedoch eine Art Mietenspiegel - bezogen auf die einzelne Wohnung - zu beinhalten. Es handelt sich um ein Parteigutachten, das der Gutachter auf Grund eines mit dem Vermieter oder dessen Vertreter abgeschlossenen Gutachterauftrages erstellt hat.

Daraus ergibt sich bereits der wesentliche Unterschied zum gerichtlichen Sachverständigengutachten, an das ganz andere Maßstäbe angelegt werden müssen. Das vorprozessuale Gutachten soll dem Mieter genauso wie die Bezugnahme auf den Mietspiegel oder sogar die Benennung von mindestens drei Vergleichswohnungen nur die Informationen liefern, die er benötigt, um die Berechtigung des Anspruchs des Vermieters zu überprüfen. Bis zu dieser Prüfung trägt die Mieterseite auch keinerlei Kostenrisiko in Bezug auf die von der Vermieterseite gewählte Begründungsmöglichkeit.

Beim selbständigen Beweisverfahren wiederum sind die Kosten des Beweisverfahrens bei einem nachfolgenden Hauptprozess der unterliegenden Partei aufzuerlegen, § 493 Abs. 1 ZPO. Bei einem Gutachten, so wie es vorliegend begehrt wurde, können dies ohne Weiteres auch Kosten von bis zu 5.000 € sein, deren Umlagemöglichkeit auf die Mieterseite gesetzlich in keiner Weise angelegt ist, soweit es nur um die Begründung einer Mieterhöhungsmöglichkeit geht.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.01.2024 11:59
Quelle: Landesrecht Hamburg

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