Otto Schmidt Verlag

BGH v. 29.11.2023 - VIII ZR 75/23

Mietpreisbremse: Anforderungen an die vorvertragliche Auskunftspflicht des Vermieters

Es genügt den inhaltlichen Anforderungen der vorvertraglichen Auskunftspflicht nach § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB, wenn der Vermieter, der sich auf den Ausnahmetatbestand des § 556e Abs. 1 BGB berufen will, dem Mieter die Höhe der mit dem Vormieter vertraglich vereinbarten Vormiete mitteilt. Eine Verpflichtung des Vermieters, nicht nur die ihm ohne weiteres bekannte vertraglich vereinbarte Vormiete anzugeben, sondern diese auf ihre Zulässigkeit nach den Regelungen der §§ 556d ff. BGB zu überprüfen und nur die hiernach zulässige Miete mitzuteilen, ergibt sich hingegen aus § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB grundsätzlich nicht.

Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH, die über eine Registrierung gem. § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, macht aus abgetretenem Recht des Mieters einer Wohnung der beklagten Vermieterin Ansprüche gegen diese wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB i.V.m. der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.4.2015, in Kraft getreten am 1.6.2015) geltend.

Zwischen der Beklagten und dem Mieter besteht seit Juli 2019 ein Mietverhältnis über eine knapp 50 m² große Wohnung, die nach der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete betrug mtl. rd. 823 € (16,66 €/m²). Die ortsübliche Vergleichsmiete lag bei 7,33 €/m². In dem der Vermietung an den derzeitigen Mieter vorangegangenen Mietverhältnis zwischen der Beklagten und dem Vormieter, das von Juni 2017 bis Juni 2019 bestand, war eine mtl. Nettokaltmiete von zunächst 800 € vereinbart worden, die sich im Laufe des Mietverhältnisses gem. § 557b BGB auf mtl. rd. 823 € erhöhte. Zuvor hatte die Beklagte die streitgegenständliche Wohnung seit 1.3.2015 zu einer mtl. Nettokaltmiete von zuletzt rd. 700 € vermietet (im Folgenden: Vor-Vormiete). Vor Abschluss des Mietvertrags informierte die Beklagte den Mieter mit Schreiben vom 25.6.2019 unter Verweis auf § 556g Abs. 1a BGB darüber, dass die mtl. Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses rd. 812 € und zum Zeitpunkt der Beendigung des Vormietverhältnisses rd. 823 € nettokalt betragen habe.

Der Mieter trat seine Ansprüche im Zusammenhang mit der sog. Mietpreisbremse an die Klägerin ab, den Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete beschränkt auf die fünf nach der Rüge fälligen Monatsmieten. Mit Schreiben vom 1.9.2021 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten - unter Berufung auf die Beauftragung durch den Mieter - gem. § 556g Abs. 2 BGB a.F. einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die vermietete Wohnung und verlangte u.a. Auskunft nach § 556g Abs. 3 BGB. Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin zunächst Auskunft bzgl. der Höhe der Vormieten für die streitgegenständliche Wohnung sowie bzgl. diese betreffende vorangegangene bauliche Maßnahmen. Weiter machte sie Ansprüche auf Rückzahlung überzahlter Miete i.H.v. rd. 424 € für den Monat September 2021 und auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten i.H.v. rd. 1.300 €, jeweils nebst Zinsen, geltend. Nachdem die Beklagte die begehrten Auskünfte zu den Vormieten im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens erteilt hat, erklärten die Parteien den diesbezüglichen Antrag auf Erteilung von Auskunft übereinstimmend für erledigt.

Das AG gab der hiernach noch verbliebenen Klage statt. Die Beklagte legte gegen das erstinstanzliche Urteil zunächst vollumfänglich Berufung ein, nahm diese in der mündlichen Verhandlung jedoch hinsichtlich der Auskunftsansprüche sowie insoweit zurück, als das AG sie verurteilt hat, für September 2021 Miete i.H.v. rd. 122 € zurückzuzahlen und Rechtsverfolgungskosten i.H.v. rd. 630 € zu erstatten. Das LG erhielt unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung in diesem Umfang - insoweit klarstellend - aufrecht und wies die Zahlungsanträge im Übrigen auf die Berufung der Beklagten ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das LG insbesondere entschieden, dass die Beklagte nicht nach § 556g Abs. 1a Satz 2 BGB daran gehindert ist, sich auf die nach § 556e Abs. 1 BGB zulässige Vormiete zu berufen. Diese Rechtsfolge tritt nach § 556g Abs. 1a Satz 2 BGB dann ein, wenn der Vermieter dem Mieter vor dessen Abgabe der Vertragserklärung nicht unaufgefordert über die Höhe der Vormiete Auskunft erteilt hat, wobei diese sich nach der hier gem. Art. 229 § 51 EGBGB einschlägigen, bis zum 31.3.2020 geltenden Fassung des § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB (a.F.) auf die Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses beziehen musste.

Die Beklagte hat die hiernach erforderliche Auskunft jedoch (form- und fristgerecht) den inhaltlichen Anforderungen des § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB a.F. entsprechend erteilt, indem sie den Mieter schriftlich vor Abgabe von dessen Vertragserklärung darüber informiert hat, die mtl. Vormiete habe ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses rd. 812 € und zum Zeitpunkt von dessen Beendigung rd. 823 € nettokalt betragen. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Regelung des § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB a.F. grundsätzlich eine Verpflichtung des Vermieters, nicht nur die ihm ohne weiteres bekannte vertraglich vereinbarte Vormiete anzugeben, sondern - was ihm allerdings unbenommen bleibt - diese auf ihre Zulässigkeit nach den Regelungen der §§ 556d ff. BGB zu überprüfen und nur die hiernach zulässige Miete mitzuteilen, nicht zu entnehmen.

Dem Wortlaut des § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB a.F., wonach im Fall des § 556e Abs. 1 BGB Auskunft darüber zu erteilen ist, wie hoch die Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses war, ist nicht zu entnehmen, ob mit Vormiete im Sinne dieser Regelung die vertraglich vereinbarte oder die nach den Vorschriften der §§ 556d ff. BGB rechtlich geschuldete Vormiete gemeint ist. Beide Möglichkeiten lassen sich mit dem Wortlaut vereinbaren. Auch der Verweis in dem Gesetzestext darauf, dass der Vermieter "im Fall des § 556e Abs. 1 BGB" Auskunft über die Vormiete zu erteilen habe, besagt nicht, dass der Gesetzgeber damit auch die dortige Definition der Vormiete als die zuletzt geschuldete Miete für den Inhalt der nach § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB a.F. zu erteilenden Auskunft heranziehen wollte. Der Verweis kann auch lediglich der Festlegung der Voraussetzungen der Auskunftspflicht - nämlich "im Fall des § 556e Abs. 1 BGB", also wenn der Vermieter sich auf diese Vorschrift berufen will - dienen, ohne dass ihm eine Bedeutung für den vom Gesetzgeber vorgesehenen Inhalt der Auskunft zukommt.

Sowohl die historische als auch die teleologische Auslegung des § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB a.F. anhand der Gesetzesbegründung und der von dem Gesetzgeber verfolgten Zielrichtung ergeben jedoch, dass die Angabe der vereinbarten Vormiete für die Erteilung der hiernach erforderlichen Auskunft genügt, unabhängig davon, ob die vereinbarte Vormiete ihrerseits nach den Regelungen der §§ 556d ff. BGB unzulässig überhöht und die Vereinbarung der Miethöhe in dem Vormietvertrag deshalb nach § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB teilweise unwirksam war.

Danach konnte sich die Beklagte hier gegenüber dem Mieter auf die geschuldete Vormiete von mtl. rd. 700 € berufen, deren zulässige Höhe sich gem. § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB i.V.m. § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB aus der wirksam vereinbarten Vor-Vormiete ergab. Soweit die im Mietvertrag zwischen der Beklagten und dem Mieter vereinbarte Nettokaltmiete i.H.v. rd. 122 € darüber hinausgeht, ist die Vereinbarung gem. § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB unwirksam. Da der Mieter für September 2021 eine Nettokaltmiete i.H.v. rd. 823 € gezahlt hat, liegt für diesen Monat somit eine Überzahlung in Höhe eines Betrags von rd. 122 € vor. Zu dessen Rückzahlung ist die Beklagte bereits durch das insoweit von ihr nicht mehr angegriffene Urteil des AG (Tenor klargestellt durch das LG) verurteilt worden. Den im Berufungsverfahren geltend gemachten weitergehenden Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete für September 2021 hat das LG dagegen zu Recht verneint, weil eine den vorgenannten Betrag übersteigende Überzahlung nicht vorliegt. Ob einem Rückzahlungsanspruch auch die Vorschrift des § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB entgegenstünde, wie die Revisionserwiderung geltend macht, kann deshalb dahingestellt bleiben.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 556d Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Kommentierung | BGB
§ 556e Berücksichtigung der Vormiete oder einer durchgeführten Modernisierung
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Kommentierung | BGB
§ 556g Rechtsfolgen; Auskunft über die Miete
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Rechtsprechung:
Mietpreisbremse: Vormiete ist jede zulässige Miete
BGH vom 19.07.2023 - VIII ZR 229/22
Norbert Monschau, MietRB 2023, 285
MIETRB0059725

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.01.2024 15:12
Quelle: BGH online

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