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Aktuell im MietRB

Abmahnungen im Kontext des WEG - Teil I (Köhler, MietRB 2024, 51)

Abmahnungen können in allen wirtschaftlichen Rechtsbeziehungen eine bedeutende Rolle spielen, auch bei den rechtsanwaltlichen Tätigkeitsschwerpunkten Wohnungseigentumsrecht oder Arbeitsrecht und bei der Kombination beider Schwerpunkte. Während der vorbeugenden Beratungstätigkeit, besonders aber bei der nachgelagerten Prozessberatung und -vertretung erlebt man immer wieder Überraschungen, wenn es um prozessrelevante Abmahnungen geht. Das können freudige sein, wenn man Arbeitnehmer(innen), Verwalter(innen) oder Miteigentümer(innen) gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft vertritt, aber auch böse, wenn man eine Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den erwähnten Personenkreis vertritt oder vertreten soll. Ein vertiefender Blick auf die Grundlagen von Abmahnungen im wohnungseigentumsrechtlichen Kontext und die möglichen Fallstricke bei Abmahnungen ist deshalb angebracht. Die herrschende Meinung – z.B. bei den Rechtsbehelfen betroffener Personen – wird bei einer kritischen Betrachtung auf den Prüfstand gestellt werden müssen.

I. Einleitung
II. Abmahnungsrelevante Rechtsbeziehungen im Wohnungseigentumsrecht
III. Begriff und Inhalt einer Abmahnung
IV. Ermittlungs- und Dokumentationsnotwendigkeiten
V. Das Außenverhältnis bei Abmahnungen

1. Arbeitsrechtliche Rechtsbeziehungen
2. Abmahnungen in der Verwaltungs-Rechtsbeziehung
a) Allgemeines
b) Vertretungspersonen für die Gemeinschaft
3. Abmahnungen in der Rechtsbeziehung WEG – Wohnungseigentümer(innen)
a) Allgemeines
b) Anzahl der Pflichtverstöße
c) Außenbefugnis


I. Einleitung
Das Wohnungseigentum ist geprägt einerseits von dauerhaften Rechtsbeziehungen zwischen Wohnungseigentümergemeinschaften und ihren Mitgliedern, andererseits von temporären Beziehungen zwischen den Gemeinschaften und ihren Verwaltungen oder zwischen den Gemeinschaften und ihren Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen. Treten Störung in diesen Rechtsbeziehungen auf, besteht in der Regel kein Interesse der Beteiligten, sofort mit der härtesten Maßnahme – Beendigung der Rechtsbeziehung – hierauf zu antworten, sondern es werden mildere Mittel bevorzugt und ergriffen, damit zukünftig erneute Störungen unterbleiben.

Ein milderes Mittel ist der Ausspruch einer Abmahnung gegenüber dem/der Störer(in). In Störungsfällen, die nach § 17 WEG relevant sein können, ist die Pflicht zur vorrangigen Anwendung des milderen Mittels in § 17 Abs. 2 WEG ausdrücklich angeordnet; in anderen Fällen (vertrags- oder arbeitsrechtlicher Art) ist die Notwendigkeit einer vorrangigen Abmahnung durch die Rechtsprechung entwickelt worden. In beiden Fallgruppen können Maßnahmen, die zu einer endgültigen Beendigung der Rechtsbeziehung führen sollen, erst nach erfolgloser Abmahnung eingeleitet werden.

II. Abmahnungsrelevante Rechtsbeziehungen im Wohnungseigentumsrecht
Abmahnungen, die gemeinschaftsrechtliche Angelegenheiten betreffen, können vorwiegend in folgenden Konstellationen notwendig sein; diese werden hier näher betrachtet:

(1) Abmahnungen in arbeitsrechtlichen Rechtsbeziehungen: Dabei geht es um Abmahnungen, die die Arbeitgeberin Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber ihren Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen wegen leistungsbedingter oder verhaltensbedingter Mängel ausspricht oder aussprechen will.

(2) Abmahnungen in der Verwaltungs-Rechtsbeziehung: Es werden Abmahnungen betrachtet, die die Auftraggeberin Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber ihrem Verwalter/ihrer Verwalterin ausspricht oder aussprechen will.

(3) Abmahnungen in der Rechtsbeziehung Wohnungseigentümergemeinschaft – Wohnungseigentümer(innen): Hier sind Abmahnungen zu betrachten, die der Verband gegenüber Wohnungseigentümern/Wohnungseigentümerinnen bei gemeinschaftsstörendem Verhalten ausspricht oder aussprechen will.

Abmahnungen, die keine Gemeinschaftsangelegenheiten sind, werden nicht erörtert. Dabei geht es um Abmahnungen, die Wohnungseigentümer(innen) gegenüber anderen Mitgliedern der Gemeinschaft wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen aussprechen, wenn diese in keinem inneren Zusammenhang mit Angelegenheiten stehen, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen sind, oder um Abmahnungen wegen Störungen des räumlichen Sondereigentumsbereichs.

III. Begriff und Inhalt einer Abmahnung
In der beratenden und forensischen rechtsanwaltlichen Praxis werden außerordentlich häufig Schriftstücke (oder Entwürfe von Schriftstücken) vorgelegt, die als „Abmahnung“ bezeichnet werden, jedoch nicht ansatzweise die notwendige Rechtsqualität einer solchen aufweisen.

Im ersten Schritt muss man sich deshalb mit dem Abmahnungsbegriff und den Abmahnungsfunktionen (Abmahnungsinhalten) beschäftigen.

Es gibt eine Vielzahl von abstrakten Begriffsdefinitionen für Abmahnungen. So z.B.: es handele sich bei der Abmahnung um „eine tatsächliche individualrechtliche Erklärung des Gläubigers, durch die er...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.02.2024 15:58
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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